Abschiedsparty


Abschiedsparty

ich will nicht
zu dir sagen
ich möchte
daß du gehst

So viel durchgemacht. So viel erlebt.
Zusammen gelacht, zusammen geweint.
Zusammen getrunken, zusammen gegessen.
Zusammen gehofft, zusammen gebangt.
Wir alle zusammen. Wir mit dir. Du mit uns.
Von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt.
Von den singenden Engeln bis zum Schrei am Kreuz.
Vom leeren Grab bis zu den brennenden Herzen in Emmaus.
Und jetzt sind wir hier.

An Himmelfahrt.
Am Tag als Jesus in den Himmel fuhr.
Dieser besondere Feiertag, an dem die Väter mit den Bollerwagen durch die Straßen ziehen.
An dem sich alle freuen, weil sie nicht arbeiten müssen.
An dem gewandert wird und Picknick gemacht.
Bloß nach draußen, der Frühling ist da.
Ein freudiger Tag. Ein freier Tag.
Ein Feiertag.
Wir feiern.
Wir feiern zusammen.
Wir feiern Abschied.
Abschiedsfeier. 

ich will nicht
zu dir sagen
ich möchte
daß du gehst

weil ich
nicht möchte
daß du gehst

Ein Ort bei Betanien.
Irgendwo ein Ort, vielleicht östlich des Jordans.
Maria und Martha wohnen hier und Lazarus.
Simon der Aussätzige hat hier sein Haus. Und der Esel mit dem Jesus nach Jerusalem einzog stammt hierher.
Ein Ort mit Geschichte.
Ein Ort der Geschichte.
Und nun das Ende der Geschichte. Hier.

Auf einem Berg sind sie versammelt.
Die ihm gefolgt sind und er. Jesus.
Auf einem Berg? Vielleicht ein Hügel.
Nein, so genau steht das da nicht.
Und doch ist es oft das Bild.
Eine kleine versammelte Menschengruppe auf einem Hügel.
Oder neben einem Hügel.
Darüber ein offener Himmel und er schwebt.
Umstrahlt, erleuchtet, schwebend.
Jesus schwebt in den offenen Himmel.
Darum auch der Hügel.
Eine Verbindung zwischen Himmel und Erde.
Ein kleiner menschlicher Versuch dem Himmel näher zu kommen.
So nah wie möglich.
Nur Jesus kommt noch näher.
Er schwebt.
Er entschwebt.
Entschwebt uns.

ich will nicht
zu dir sagen
ich möchte
daß du gehst

weil ich
nicht möchte
daß du gehst

Da stehen sie nun in der Nähe von Betanien.
Und wissen vermutlich nicht wie ihnen geschieht.
Weiß Jesus wie ihm da geschieht?
Wissen wir was da geschehen ist?
Nein, wir wissen es nicht.
Wir lesen den Text aus dem Lukasevangelium.
Wir hören wie Jesus entschwebt in den Himmel.
Entschwindet, wie es die gerechte Übersetzung sagt.
Er schied von ihnen sagt sagt Luther 2017.
Er entfernte sich von ihnen sagt die Hoffnung für alle.
Er verließ sie sagt die Einheit.
Er wurde von ihnen weggenommen sagen die aus Genf.

Ein Wort mit vielen Bedeutungen. Wie so oft.
Jesus segnet die ihm nachfolgten und noch während er das tut.
Scheidet er von ihnen. Entfernt sich. Verlässt sie.
Man könnte auch noch sagen:
Er trennt sich, er fährt weiter, seine Zeit ist abgelaufen.
Alles im Bereich des Möglichen. Alle Bedeutungen eines Wortes.
Alle sagen: Jesus geht.
Alle sagen: von jetzt auf gleich ist Jesus weg.
Der, der gerade erst zurückgekommen war - ist wieder weg.
Entschwindet, entfernt sich, fährt weiter, verlässt.
Verlässt die, die ihm nachfolgen.
Verlassen.

ich will nicht
zu dir sagen
ich möchte
daß du gehst

weil ich
nicht möchte
daß du gehst

Abschiedsfeier bei Betanien.
Und alle sind eingeladen. Alle die ihn mochten, die ihn liebten.
Die, die alles mit ihm durchgemacht haben.
Es gab keine Einladungskarten es ist eine Überraschungsparty.
Überraschung für die Gäste.
Gerade haben sie noch zusammen gegessen. Gerade waren sie so überglücklich weil Jesus endlich wieder unter ihnen war.
Gerade hatte er ihnen noch einmal erklärt was da passiert war in der letzten Zeit.
Gerade noch da und schon wieder weg.
Gerade noch Auferstehung und nun Himmelfahrt.
Abschiedsfeier bei Betanien.

Abschied kann überfordern. Abschied macht traurig.
Dem Abschied aus dem Weg gehen ist manchmal leichter als ihn durchzuziehen.
Lieber alleine still und heimlich wegschleichen.
Lieber alleine weinen am Bahngleis als zusammen.
Lieber nicht noch einmal umdrehen.
Abschied tut weh.

ich will nicht
zu dir sagen
ich möchte
daß du gehst

weil ich
nicht möchte
daß du gehst

aber ich muß
zu dir sagen
ich möchte
daß du gehst

Jesus verlässt sie und uns. Jesus geht.
Nicht irgendwohin.
Nicht zurück nach Jerusalem. Nicht nach Betanien rein.
Jesus wird emporgehoben.
Wird hochgetragen.
In den Himmel.
Diesen Schritt geht er nicht selbst.
Selbst verabschiedet er sich, entfernt sich, geht weiter.
Und dann wird er hinaufgetragen. Von.
In den Himmel hinauf. Mitten rein ins Blaue.
Steigt in die Luft und entschwindet.
Darum Himmelfahrt.
Darum die vielen Bilder mit dem schwebenden Jesus.
Darum der Feiertag.
Darum die Abschiedsfeier.
Sie muss sein. Sie ist nötig.
Jesus weicht dem Abschied nicht aus.
Er feiert ihn. Er segnet noch einmal.
Er will, dass sie sehen, wie er geht.
Wie er emporgehoben wird.
Wie er entschwindet.
Entschwindet aus dem Blickfeld.
Entschwindet den Augen.
Aus den Augen aus dem Sinn.

ich will nicht
zu dir sagen
ich möchte
daß du gehst

weil ich
nicht möchte
daß du gehst

aber ich muß
zu dir sagen
ich möchte
daß du gehst

weil ich möchte
daß du
wiederkommst

Abschied tut weh. Dieser nicht.
Kein Wort von Tränen im Text. Kein Wort von Entsetzen.
Niemand wundert sich, niemand fragt nach.
Niemand ist wütend auf den, der schon wieder geht.
Ganz anders als noch vor ein paar Wochen.
Da waren sie wütend und feige. Haben sich versteckt und gelogen.
Und jetzt feiern sie.
Sind voller großer Freude.
Und preisen und loben ihn. Gehen in den Tempel.
Immer, steht da. Sie waren immer im Tempel und lobten Gott.
Klatschten in die Hände und jauchzten vor Freude.
Abschiedsfeier 2.0
Mit Kuchen und Konfetti.
Mit Seifenblasen und Luftballons.
Abschiedsfeier auf fröhlich.
Abschied tut nicht immer weh.
Vorbei sind die Tränen.
Denn Himmel und Erde werden neu, nichts bleibt wie es ist.
Alles hängt zusammen.
Wir haben gelernt: Es ist kein Abschied für immer.
Jesus geht, ist gegangen.
Und.
Kommt wieder.
Das Wiedersehen ist vorprogrammiert.
Wann genau. Keine Ahnung.
Ist jetzt auch nicht wichtig.

Jetzt ist der Moment.
Himmel und Erde haben sich berührt.
Umarmt. Geküsst.
Ein Stück Himmel war und bleibt bei uns.
Ein Stück vom Glück.

Wir feiern.
Denn wir glauben:
Er ist der, der da ist der da war und der da kommt.
Das Alpha und das Omega.
Der Ursprung und die Zukunft.
Der Anfang und das Ende.
Das Non plus Ultra.
Der uns liebt und uns befreit.
Der uns segnet.
Da! Er kommt mit den Wolken!

ich muß zu dir sagen ich möchte daß du gehst
weil ich möchte daß du wiederkommst

Aus den Augen ist NICHT aus dem Sinn.
Wir feiern Abschied und wissen um das Wiedersehen.
Denn er ist der, der da ist und der da war und der da kommt.

Amen. 

Gehalten am 10.05.2018

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