Traueransprache für Jesus
Traueransprache für Jesus
Liebe Gemeinde,
wenn ich ehrlich bin, dann weiß ich nicht, was
ich jetzt sagen soll. Mir fehlen die Worte.
In meinem Hals steckt statt Worten ein Kloß.
Riesig und unangenehm drückt er meine Kehle zu.
Lässt meine Stimme kehlig klingen, Sie werden es
hören.
Bedrückt, eingeengt, eingezwängt.
Mein ganzer Körper fühlt sich so an –
eingezwängt.
Zur Salzsäule erstarrt. Und das Salz meiner
beweglosen Körpersäule will aus meinen Augen wieder heraus.
Der Kloß in meiner Kehle scheint die Tränen
herauszupressen.
Jesus ist tot.
Ermordet. Brutal gekreuzigt.
Fast nackt. Wie ein Verbrecher hängt er da.
Schreit noch ein letztes Mal.
Atmet ein letztes Mal.
Sein Herz schlägt ein letztes Mal.
Dann ist er tot.
Alles wird dunkel.
Alles geht kaputt.
Sogar der Vorhang im Tempel zerreißt.
Alles ist zerstört.
Von jetzt auf gleich.
Wie soll ich das fassen, was nicht zu fassen ist.
Jesus ist tot.
So ein unbegreiflicher Satz.
Jesus ist tot.
Der Jesus, den ich kannte, der Jesus an den ich
geglaubt habe,
an den ich glauben wollte – der ist tot.
Gestorben. Kein Herzschlag, kein Leben mehr.
Exitus. Ende. Vorbei. Für immer.
Der Tod ist unbegreiflich. Der Tod macht uns alle
gleich.
Das sage ich oft bei Beerdigungen, wenn ein Mensch gestorben ist.
So wie jetzt.
Aber Jesus ich dachte du bist anders!
Eben nicht gleich wie wir alle Menschen.
Jesus ich weiß nicht wie ich deinen Tod fassen soll.
So kurz war dein Leben. So überquellend vor
Liebe.
Es begann so kitschig und endet nun so grausam.
Von den Engeln bei deiner Geburt bis zu deinem
grausamen Tod.
Wo sind die Engel jetzt? Wo bist du Jesus?
Wo ist Gott?
Ich will dir eine Rede halten Jesus. Eine
Trauerrede.
Ich will dir sagen, wer du für mich warst.
Jesus. Du warst mein Held.
Du warst mein Vorbild.
Du warst meine Streitpartner. Jesus. Du warst
mein Traum.
Du warst mein Held.
Ich habe schon früh von dir erfahren. Ich weiß
nicht mehr wie alt ich war, wahrscheinlich noch sehr klein. Wahrscheinlich so
klein, dass ich selber noch nicht sprechen konnte. Ich konnte nur hören, was
mir die Erwachsenen erzählt haben. Sie haben mir viel erzählt, und vor allem
auch Geschichten. Auch Geschichten von dir, mit dir, über dich. Es gab dieses
bunte Buch mit den vielen Bildern, da waren alle deine Geschichten drin. Ich
habe sie so gerne gehört. Sie waren so wunderbar. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Du konntest Sachen, die eigentlich gar nicht
gehen. Je älter ich wurde, desto wunderlicher wurden sie für mich. Mein
wachsender Verstand sagte immer: Nein, das geht doch gar nicht.
Die Geschichten von dir aber sagten: Doch, das
geht.
Über das Wasser laufen. Wasser in Wein
verwandeln. Essen für alle haben, auch wenn es eigentlich nur fünf Brote und
zwei Fische waren. Lahme wieder gehend machen. Blinde wieder sehend.
Du konntest alles!
Am allerliebsten mochte ich die Geschichte, in
der du ein kleines Mädchen vom tot wieder aufwachen lässt. In meinem Buch war
das Mädchen klein und hatte schöne rote Haare. Alle waren traurig, weil sie
gestorben war. Aber dann kamst du und hast sie angefasst und etwas sehr
verrücktes gesagt. Und dann. Ist sie wieder aufgestanden. Und alle waren
glücklich. Überglücklich. Wunderbar glücklich.
Und du warst mein Held. Mein Superheld.
Jesus.
Du Wunderbarer. Du hast Wunder getan und warst
selber so wunderbar. So klar und so bewundernswert.
Ich habe dich bewundert. Nicht nur für deine
Taten, die mein Verstand immer als Märchen abtun wollten. Nein, auch für all
das was du gesagt hast. Für deine Idee von der Welt.
Ich habe erst später all die Texte selber gelesen
und nicht nur im Bilderbuch angesehen. Ich habe sie immer wieder gelesen und
auch gehört und immer mehr wuchs meine Bewunderung für dich.
Für dich und deine Worte.
Die Worte, die du gesagt haben sollst:
Liebe
deine Nächsten und deine Nächste wie dich selbst.
Gesegnet
sind die Barmherzigen.
Unser
Vater im Himmel.
Lass
die Beladenen zu mir kommen.
Sorgt
euch nicht.
Und, und, und.
Du hattest eine Idee von der Welt. Einen Plan,
eine Überzeugung wie es wirklich gelingen kann.
Wie es gelingen kann, dass wir alle miteinander
leben. Ohne Hass, ohne Gewalt, ohne Geprotze, ohne sich über den anderen
stellen, ohne hungernde Menschen, ohne durstige Menschen, ohne kleine Kinder,
die erschossen werden, ohne machtgierige Politiker und Politikerinnen, ohne
geldgeile Banken, ohne selbstverliebte Machos, ohne aussterbende Elefanten,
ohne überflutete Inseln, ohne giftige Abgase in der Luft, ohne Gift im
Trinkwasser...ohne das alles.
Und stattdessen: mit Liebe.
Du warst mein Vorbild. Für diese Utopie.
Die du klar und deutlich verkündet hast. Mit
allen Risiken.
Gegen alle Anzeichen, dass diese Utopie eine
Utopie bleiben wird.
Bis zum Schluss.
Jesus.
Ich habe dich bewundert, ja. Du warst mein Held
und mein Vorbild.
Du warst aber auch der, mit dem ich mich streiten
wollte. Diskussionen führen. So oft wollte ich dir ins Wort fallen. Dir mal
ehrlich sagen, dass du dich oft auch ganz schön aufgespielt hast. Wenn du allen
erklärt hast wie es wirklich läuft und sie dann als Narren und als Toren
bezeichnet hast. Diese dummen Narren, die es immer noch nicht verstanden
hatten. Die dich immer noch nicht verstanden hatten.
Dabei muss man ehrlich sagen, manchmal hast du
dich auch ganz schön unverständlich ausgedrückt. Immer diese Gleichnisse, da
muss man manchmal auch schon zweimal nachdenken. Kann ja nicht jeder gleich
alles durchschauen so wie du. Da warst du echt sehr überheblich manchmal!
Ich wollte mich dir auch in den Weg stellen als du im Tempel
ausgerastet bist. Als du da deine eigene Regel gebrochen hast und Gewalt
angewendet. Tische umgeworfen und rumgeschrien. Voller Wut habe ich dich da
gesehen, voller Hass. Dabei hast du doch gegen den Hass geredet!
Oder diese
Geschichte mit der ausländischen Frau, deren Kind du erst nicht heilen willst,
weil sie eine Fremde war. Was war denn das für eine Aktion? Zum Glück hast du
es dann ja doch gemacht.
Und wieso hattest du eigentlich nur Männer in
deinem Zwölferkreis?
Das waren Momente, da wollte ich dich gerne
schütteln. Und mit dir über alles streiten und diskutieren.
Jesus ich habe mich so gern mit dir gestritten.
Du Streitbarer.
Jesus.
Wenn wir außer Atem waren von unserem Streit
haben wir zusammen geträumt. Mit dir habe ich zusammen geträumt. Dann habe ich
geträumt, mit dir und all deinen Freundinnen und Freunden. Mit euch gemeinsam
von der Welt, die du das Reich Gottes genannt hast. Eine Traumwelt, so kam sie
mir immer vor. Ein wunderschöner Traum.
Ein Tagtraum und ein Nachttraum.
Ein Traum, der unbedingt Realität werden will.
Ein Traum an den du fest geglaubt hast.
So fest und sicher warst du dir. Hast uns erzählt
wie das Reich Gottes so ist, immer wieder in kleinen Geschichten und
Gleichnissen. Wie die Kinder sollten wir sein, barmherzig, nicht reich, du hast
gesagt die Zeit wäre erfüllt und das Reich Gottes kommt.
Ich war mir da nicht immer sicher. Ich habe mich
gefragt ob du da nicht ein wenig übertreibst.
Und dann warst du wieder so überzeugend.
Und dann hab ich den Glanz des Reiches Gottes
schon funkeln sehen.
Und dann habe ich doch mit dir geträumt.
Davon Gott nahe zu sein und die Utopie zu leben.
Jesus.
Träume sind Schäume, sagt man.
Dein Traum war wohl eine riesengroße Schaumblase.
Ich habe an dich geglaubt Jesus.
An dich und deine Heldentaten, an dich als
Vorbild, an dich als Streitpartner, an deinen Traum.
Und jetzt ist die Blase geplatzt.
Die Würfel sind gefallen, der Vorhang ist
zerrissen.
Und ich stehe hier mit den anderen an deinem
Kreuz.
Ich warte vergeblich auf den Superhelden.
Du bist gestorben.
Mit dir stirbt mein Traum.
All das, an das ich mit dir geglaubt habe.
An das ich durch dich geglaubt habe.
Alles stirbt.
Von jetzt auf gleich.
Durchkreuzt ist alles.
Durchkreuzt der Traum von deiner Welt.
Das Kreuz hat ihn zerstört.
Ich habe es nicht kommen sehen. Ich war zu
überzeugt von dir und deinen Plänen. Von deiner Überzeugung.
Ich habe deine Warnungen ausgeblendet, deine
Ankündigungen, dass die Geschichte vielleicht kein gutes Ende nehmen wird.
Alle Geschichten mit dir hatten doch immer ein
gutes Ende!
Ich habe auf dein Happy End vertraut.
Du Jesus, du warst meine Hoffnung!
Wie soll ich es fassen. Was ich nicht fassen
kann.
Was nicht zu fassen ist.
Am Kreuz hängst du.
Und dazu all meine Hoffnungen und Träume.
Mein Glaube.
Und so kann ich nichts tun, als meine
Fassungslosigkeit zum Ausdruck zu bringen. Ich kann nichts tun außer klagen.
Klagen, schreien und trauern.
Auf die Umarmung eines Freundes warten.
Auf die Taschentücher.
Auf Trost.
Auf Gott.
Jesus, du mein Held, mein Vorbild, mein
Streitpartner, mein Traum.
Ich vermisse dich.
Ich werde dich nie vergessen.
Dich und all deine Worten und Taten und Träume.
Amen.
Gehalten am 30. März 2018
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