Überraschung


Überraschung!

Ich glaube an Jesus Christus.
Gelitten unter Pontius Pilatus.
Gekreuzigt, gestorben und begraben.
hinabgestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten.

Höchstwahrscheinlich sind Sie jetzt nicht überrascht liebe Ostergemeinde. Höchstens verwundert, das war doch eben gerade schon dran das Glaubensbekenntnis? Hat die Predigerin da was durcheinander gebracht? Ist sie vielleicht noch zu müde von der Osternacht?
Das Glaubensbekenntnis im Gottesdienst ist keine Überraschung. Die Worte, die wir eben zusammen gesprochen haben, sind auch für Sie wahrscheinlich keine Überraschung gewesen.
Alles bekannt, oft gesagt. Und ganz ehrlich, manchmal vielleicht auch einfach aus Gewohnheit dahin gesagt.

Ich glaube an Jesus Christus.
Gekreuzigt, gestorben und begraben.

Karfreitag. Vorgestern. Auch keine Überraschung.
Der dunkelste Tag des Jahres.
Alle Jahre wieder.
Karfreitag kommt jedes Jahr wieder. Jedes Jahr dieselben Diskussionen über Tanzverbote. Darf die Osterwiese wirklich nicht öffnen? Jedes Jahr wieder hören die Glocken auf zu läuten, in den Kirchen wird „Oh Haupt voll Blut und Wunden“ gesungen.
Vielleicht wird Fisch gegessen. Keine Überraschungen.

Ich glaube an Jesus Christus.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes.
Am dritten Tage auferstanden von den Toten.

Heute ist Sonntag.
Ostersonntag.
Der Tag der Auferstehung.

Überraschung?!

Am ersten Tag des Sabbats kommt Maria aus Magdala in der Morgendämmerung zum Grab.

Maria aus Magdala. Eine Jüngerin Jesu, wahrscheinlich eine Freundin. Sie ist mit Jesus mitgezogen, so wie Petrus auch. Von Beginn an. Sie wird von ihm fasziniert gewesen sein, wie es so viele waren. Sie wird an seine Vision von einer anderen Welt geglaubt haben, versucht haben ihr Leben zu verändern und gemeinsam an der neuen Welt zu arbeiten. Jesus und sie werden viel zusammen erlebt haben in den Jahren seiner Reise durch Israel: Heilungen von Kranken, Diskussionen mit Gegnern. Sie wird die Stimmung gegen ihn erlebt haben.
Sie ist bis zum Schluss geblieben.
Maria  hat das Grauen gesehen. Sie hat nicht die Augen verschlossen. Maria ist bei Jesus geblieben, als er schreiend am Kreuz hing.
Blutend, aus Wunden und aus dem Herzen.
Sie hat beobachtet wo er hingebracht wurde.
Eigentlich war das streng verboten. Maria hat es riskiert.
Wie viel muss ihr Jesus bedeutet haben.
Wie furchtbar muss der Freitag für sie gewesen sein.
Der Tod eines geliebten Menschen.
Der Tod eines Traums.
Der Tod von Jesus.

Jetzt will Maria ihn salben. Wie es üblich ist in ihrer Kultur, drei Tage nach der Bestattung. So früh es geht, eilt sie zum Grab.
Sie denkt nicht einmal darüber nach, dass ja ein riesiger Stein das Grab verschließt.
Maria will zu Jesus.
Wenigstens dem toten Jesus noch einmal die Ehre erweisen.
Seine Haut berühren.
Den Tod vielleicht noch einmal kurz vergessen.

Und dann steht sie vor dem Grab.

Und dann:

Überraschung!

Der Stein ist nicht mehr dort. Der Eingang ist offen.
Was hat Maria gedacht? Wie sah sie aus? Stand sie mit offenem Mund davor? Hat sie sich die Augen gerieben, sich vielleicht kurz gezwickt? Das kann doch nicht wahr sein!
Maria ist überrascht.

Und sie will ihre Überraschung teilen. Sie eilt zu den engsten Freunden Jesu und erzählt was geschehen ist.
Zu dritt rennen sie zurück zum Grab.
Petrus und der andere Jünger und Maria.
Petrus und der andere Jünger sind auch überrascht. Sie können es  nicht glauben. Sie suchen einen Beweis und gehen ins Grab: Kein Jesus. Nur die Grabtücher. Die beiden gehen wieder zurück. Die suchen nicht weiter. Die Überraschung macht auch sie sprachlos. Doch sie bleiben nicht, sie kehren um. Haben anscheinend keine Hoffnung, Jesus noch zu finden.

Maria bleibt.
Sie steht am Grab.
Sie freut sich nicht über die Überraschung. Es waren genug böse Überraschungen in der letzten Zeit. Ihr Wunsch Jesus noch einmal zu sehen und zu berühren wird nicht erfüllt.
Noch ein zerplatzter Traum.
Sie weint, sie schluchzt.
Und dann:

Überraschung!

Im Grab sitzen zwei Engel, hinter ihr steht ein Mann.
Maria ist noch so verwirrt von alldem, dass sie ihn nicht erkennt.
Eine der witzigsten Stellen der Bibel, Maria denkt der Mann sei der Gärtner. Denn der Gärtner ist es ja immer!

Doch: Überraschung!

Jesus spricht ihren Namen aus: Maria! Und sofort erkennt sie ihn. Ihn, den sie sucht. Ihn, den sie so vermisst.
Ihn, der doch eigentlich tot ist.
Eigentlich. Uneigentlich steht er dort und redet mit ihr.
Als wäre nichts gewesen.

Überraschung!

Was hat Maria da gemacht? Wahrscheinlich wollte sie ihm um den Hals fallen. Aus lauter Erleichterung, sich an ihm festhalten. All die Überraschungen verdauen.
Doch Jesus sagt: Stopp! Halt mich nicht fest!
Er muss es alles richtig zu Ende bringen. Noch ein Ende.
Erst das Kreuz, jetzt die Überraschung, dann das Heimkommen.
Nach dem Tot das Leben.

Überraschung!

Maria hat den toten Jesus gesucht. Sie wusste ganz genau, was sie sucht. Und dann findet sie etwas ganz anderes:

Überraschungsei:
Auferstehung.
Ostern.
Alles neu.
Nichts bleibt wie es ist.

Überraschung!

Ich glaube an Jesus Christus.
Hinabgestiegen in das Reich des Todes.
Am dritten Tage auferstanden von den Toten.

Bekannte Worte.
Heute im Gottesdienst.
Heute ist Sonntag.
Drei Tage nach Karfreitag.
Ostern.
Auferstehung.

Überraschung?

Ja, wenn Sie mich fragen! Ja! Überraschung! Das größte Überraschungsei, das es je gegeben hat und geben wird!
Überraschung auf ganzer Linie!
Überraschung zum aus der Torte springen.
Überraschung, die sprachlos macht.
Eine: ich-weiß-gar-nicht-was-ich-sagen-soll-ich-bin-so-überwältigt-Überraschung!
Überwältigt von Gefühlen. Herzklopfen.
Adrenalinstoß. Achterbahnfahrt mit zehn Loopings über Kopf.
Schmetterlinge und Flugzeuge im Bauch, die sich gegenseitig Ostereier zu werfen.
Wunderkerzen, Feuerwerk und Konfettikanonen.

Jesus war tot und lebt! Ich sterbe nicht, ich lebe!
Gott hat alle überrascht. Gott tut Wunder!
Er setzt das größte Zeichen in unsere Welt.
Die größte Überraschung, die größte Hoffnung:
Der Tod wird überrascht. Der Tod hat nicht mehr das letzte Wort.
Gott umarmt Jesus Christus. Gott umarmt alle Menschen.
Nach dem dunkelsten kommt der hellste Tag.
Es ist alles neu.
Wir sterben, doch wir wissen jetzt, das ist nicht das Ende.
Das Ende ist bei Gott.
Das Ende auf der Welt kann noch so grausam sein.
Furchtbar, voller Qualen, Blut und Wunden.
Gott wartet um die Ecke.

Heute ist Ostern.
Lassen Sie sich überraschen!
Ich bitte Sie so sehr, lassen Sie sich überraschen, so wie Maria überrascht war.
Die Auferstehung darf nicht selbstverständlich werden!
Keine Tradition, die eben nur Tradition ist.
Es gibt keine größere Überraschung!
Wir dürfen an die Auferstehung glauben.
Nie wird es einen Beweis für uns geben.
Wir dürfen glauben!
Uns immer wieder neu von dieser wunderbaren Hoffnung überraschen lassen.

Wir dürfen sagen:
Ich glaube an die Auferstehung der Toten!

Denn heute ist Ostern.

Amen. 

Gehalten am Ostersonntag 21. April 2019

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