Stünde er auf einmal da
Stünde
er auf einmal da. Was würde er tun?
Auf
einmal ist er da. Er hat sich nicht angekündigt, hat keine Hinweise gegeben.
Und eigentlich weiß auch keiner, dass er es ist. Manche gucken schon ein
bisschen. Irgendwie erinnert er sie an jemanden, aber viele gehen auch einfach
vorbei. Ein Mensch von vielen da in der Straße. Manche schauen kritisch weil er
so aussieht wie die im Fernsehen die Bomben zünden. Anders eben. Anders als man
selber. Sie gehen weg und schauen ihn nicht an. Die, die ihn ansehen und
erkennen reiben sich die Augen. Oder sie lachen. Lustig, da sieht echt einer
aus wie er. Ob er das will? Das gibt doch bestimmt blöde Spitznamen. Vielleicht
ist er aber auch einfach so ein Hippie-Veganer, die haben ja auch oft lange
Haare. Und so weite Klamotten mit orientalischem Stil.
Guck
mal der da, der sieht ja aus wie er! Ja wirklich, verrückt.
Und
er. Er sitzt da. Auf einer Bank. Schaut sich die Menschen an. Weicht ihren
Blicken nicht aus, aber guckt auch nicht richtig hin. Ein bisschen sieht es so
aus, als würde er meditieren. Mitten in der Fußgängerzone. Mitten im Leben.
Mitten
im Leben. Auf einmal.
Er
steht auf und fängt an zu reden. Nicht besonders laut, aber so, dass man ihn
hört. Eine Stimme, die mitten in den Alltag fährt. Nicht unangenehm, aber auch
nicht lieblich. Seine Stimme will etwas sagen, und das hört man. Einige bleiben
stehen. Und selbst die mit Kopfhören auf den Ohren drehen sich um. Er hat sich mitten
auf die Straße gestellt. Und redet. Eindringlich.
Was
würde er tun? Stünde er auf einmal da.
Stünde
er auf einmal da. Was würdet ihr tun?
Ihr
habt gehört, was er gesagt hat. Diese eindringlichen Worte. Der Gedanke von
jetzt oder nie. Bleibt ihr stehen? Filmt und fotografiert ihr auch? Weil ihr
euren Augen nicht trauen könnt?
Er
sieht aus wie er. Tatsächlich. Und er redet auch noch so. Sagt Sachen, die sich
sonst keiner traut zu sagen. Laut und deutlich sagt er: Gott will keinen Krieg.
Gott will Einheit. Er will kein abwiegen von guten und bösen Taten. Jetzt und
hier, wer von euch kann sagen: ja, ich stehe dazu und will Frieden und kein
böses Blut mehr! Wer kann sagen: Ich habe eine Seele, die dazu bereit ist. Ihr
habt es gehört.
Was
nun? Applaudieren oder weitergehen? Wird er noch weiterreden oder war es das?
Oder
wird jemand nach vorne treten. Jemand, der meint eine Seele zu haben, die
bereit ist. Können wir uns das vorstellen?
Es
klingt so logisch und doch leben wir in einer Welt, in der das bisher noch nie
geklappt hat. In der die Seelen immer abwiegen und das Beste für sich gewinnen
wollen. In der gehandelt wird und gelogen. In der es unschuldige Opfer gibt,
weil einer unbedingt gewinnen will.
Das
müsste er doch am besten wissen. Wenn er denn nun er ist.
Vielleicht
ist es ja doch nur der Hippie-Veganer der auch friedensbewegt ist.
Was
meint ihr? Die ihr in seht und hört. Traut ihr euren Augen und Ohren?
Was
tut ihr? Ihr, die ihr ihn hört.
Trete
ihr nach vorn?
Was
würdet ihr tun? Stünde er auf einmal da.
Stünde
er auf einmal da. Was würden sie tun?
Da
steht einer und redet. Und immer mehr Menschen kommen zu ihm, hören zu, filmen
ihn. Für sie sieht das nach Unruhe aus. Nach einer Störung. Einer Störung der
öffentlichen Ordnung. Und ihr Job ist es eben diese zu bewahren. Sie sind dafür
ausgebildet. Sie erkennen, wenn es brenzlig wird. Wenn etwas nicht so ist, wie
es sein sollte. Und der da vorne und die Menschen um ihn rum, das sieht
definitiv so aus, als sollte es nicht so sein. Spinner, die meinen Reden
schwingen zu müssen hier, ja, die gibt es öfters. Aber denen hört nie jemand
zu. Weil die eben spinnen. Weil es niemanden interessiert was sie sagen. Er ist
anders.
Sie
haben seine Stimme auch gehört. Auch sie waren sofort Ohr für ihn. Man kann ihm
nicht nicht zuhören. Und sie haben gehört, was er sagt.
Und
das klingt nicht gut. Nicht für die Ordnung.
Denn
die funktioniert eben so. Dass es die einen und die anderen gibt.
Sie
sehen ihre Ordnung in Gefahr. Also funken sie ihre Kollegen an. Holen sich Rat.
Was meint ihr dazu? Sie haben nicht viel Zeit. Wenn hier eine Bedrohung der
Ordnung passiert, dann kann es jede Minute aus dem Ruder laufen. Und sie müssen
dagegen rudern.
Eskalationen
sind zu vermeiden. Aber wenn es denn nicht anders geht?
Was
sollen sie machen mit ihm. Der so aussieht wie er. Und so redet wie er.
Die
Lage wird unruhiger. Sie sehen wie ein Junge nach vorne tritt. Wie er so
komisch lächelt. Was ist wenn er eine Waffe hat? Wenn er eigentlich ein
Amokläufer ist? Schaut ihn euch doch an, er sieht aus wie einer von denen.
Einer von denen, die einer Ideologie anhängen und andere dafür umbringen.. Doch
hat er nicht eigentlich gerade etwas anderes gesagt?
Sie
wissen nicht was sie machen sollen. Was sie glauben sollen. Ihre klaren
Feinbilder, sie bröckeln. Was sollen sie tun?
Und
dann kommt der Befehl.
Übers
Ohr per Funk.
Der
Oberste der obersten Ordnung hat entschieden. Und diese Entscheidung hat nicht
zu bröckeln. Die Feindbilder sind klar, die Ordnung muss gewahrt werden. Die
Wahrheit ist nicht grau. Sie ist schwarz oder weiß.
Und
sie haben die weiße Wahrheit. Er die schwarze.
Sie
treten nach vorn.
Was
würden sie tun? Stünde er auf einmal da.
Stünde
er auf einmal da. Was würdest du tun?
Ein
Schuss. Ein Junge liegt am Boden. Der, der gerade nach vorne getreten ist und
beweisen wollte, dass er eine reine Seele hat. Eine Kinderseele noch ohne
Machtgier. Er hat ihm geglaubt. Er hat zugehört und geglaubt. Dass er er ist.
Der etwas verändern will. Und er wollte mitmachen. Die Kinder kommen zu ihm.
Sie zweifeln noch nicht so viel. Sie haben den Urinstinkt des Vertrauens. Sie
wollen Frieden in ihrer Welt.
Und
sie? Was tun sie? Sie schießen. Sie zerstören den Augenblick des Friedens. Diesen
kleinen kostbaren Moment. Ihr Befehl
lautet: Das ganze auflösen. Herausfinden wer der da ist. Warum er da steht, was
er will, ob er bewaffnet ist.
Sie,
sie sind bewaffnet und sie nutzen ihre Waffen. Einer von ihnen. Vielleicht weil
er Angst hat, vor diesem Unbekannten. Vielleicht weil er sich nicht anders zu
helfen wusste. Vielleicht war es ein Versehen. Doch egal. Der Schuss trifft.
Mitten in den Jungen.
Was
würdest du tun? Wegrennen? Filmen? Dem Jungen helfen? Auf ihn hoffen? Wo ist er
eigentlich?
Was
würdest du tun? Stünde er auf einmal da.
Stünde
er auf einmal da. Was würde ich tun?
Ich
gebe es zu. Ich würde zweifeln. Ich würde es nicht glauben. Da war ein Kind tot
und dann legt einer die Hände auf und schon lebt er wieder. Ich würde an ein
abgekartetes Spiel glauben. Die stecken doch unter einer Decke! Das ist ein
Trick! So etwas gibt es nicht. Verrückt würde ich denken, wenn ich das in den
Nachrichten sehen würde. Verrückt was sich Menschen alles einfallen lassen.
Ich
war ja nicht dabei. Ich war nicht auf dem Platz. Ich kann sowieso nicht sagen
was genau geschehen ist. Ich kenne nur die Berichte. Das klingt zu schön um
wahr zu sein.
Jemand
der über Frieden predigt mitten auf Stufen, die schon so viel Blut gesehen haben.
Und dann auch noch ein Kind, das Opfer wird, heilen kann. Ich würde mir
Erklärungen ausdenken. Vielleicht war der Junge ja gar nicht tot. Und der, der
ihn geheilt hat ist Arzt. Weiß wie man eine Kugel aus einem Körper bekommen
kann. Oder er ist Magier und lässt uns Dinge sehen, die so nicht sind. Mit
Tricks. Ich würde die Bilder in den Nachrichten sehen und mich wundern. Über
dieses angebliche Wunder. Und irgendwo hinter meinem Kopf würde eine Stimme
pieksen und sagen: Wieso denn nicht? Wieso soll er es denn nicht sein?
Du
glaubst doch an ihn. Wieso nicht, wenn es real ist?
Geht
dir das zu weit? Dir und deiner Vernunft und studierten Logik?
Ich
würde mir die Bilder immer wieder ansehen. Nachforschen, Theorien lesen.
Neugierig sein. Ungläubig und mit dem Wunsch es glauben zu können.
Dass
er er ist. Dass es endlich so wird, wie er sich das vorgestellt hat.
Sein
Plan für eine andere Welt. Mit Ordnungen der Liebe und einem Plan für die
Hoffnung.
Was
würde ich tun? Stünde er auf einmal da.
Stünde
er auf einmal da. Was würden wir tun?
Es
ist nur eine Idee. Eine Geschichte. Eine Serie. Gut gemacht, mit viel Geld.
Abends auf dem Sofa kann man sie sich ansehen und abschalten. Sich unterhalten
lassen von diesem Gedankenexperiment. Was wäre wenn? Wenn er auf einmal da
stünde.
Er.
Der Messias. Jesus. Isa.
Wenn
er seine Reden mitten in unserer globalisierten Welt neu halten würde. Nochmal
nach 2000 Jahren. Jahre voller Fortschritt, der Moderne, neuen Religionen und
unendlich vielen Kriegen.
Die
Serie erzählt von Geheimdiensten und Konflikten zwischen Ländern. Von
Machtspielen und starken Überzeugungen. Von klaren Feindbildern und den neuen
Medien.
Sie
probiert es einfach mal aus. Was wäre wenn.
Und
wir können uns das ansehen. Und uns fragen lassen.
Wäre
es so? Oder anders? Was würden wir tun?
Wem
würden wir glauben?
Seinen
Anhängern die sagen: Er ist er.
Seinen
Gegnern die sagen: Er ist ein Feind.
Was
würde es bedeuten für uns, wenn er auf einmal da wäre?
Würden
wir wieder an Wunder glauben? An Heilungen? An Frieden?
Würden
wir ihn treffen wollen?
Würde
es überhaupt etwas ändern?
Stünde
er auf einmal da. Was würden wir tun?
Amen.
Gehalten am 26.1.2020
Inspiriert von der Serie "Messiah"
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