Beten mit geschenktem Gaul


Einem geschenkten Gaul schaut man nichts ins Maul.

So sagt man. Ein Geschenk ist gut gemeint und darüber sollte man sich doch freuen. Nicht überlegen, was man lieber gehabt hätte oder zu was man das Geschenk wohl umtauschen kann. Sich über die liebe Gabe freuen und nicht gleich meckern oder hinterfragen.

Das wäre gut.

Und es ist eben nicht so einfach manchmal mit Geschenken. Selbst wenn ich mich sehr freue, dankbar bin und merke wieviel es dem Schenkenden bedeutet. Selbst wenn ich das Geschenk super finde - selbst die besten Sachen können kleine Macken haben.

In jedem Gottesdienst, in jeder Andacht, bei der Taufe, am Grab. Jedes Mal habe ich ein Geschenk dabei. Nicht nur irgendeins. Das Geschenk.

Meistens am Ende sage ich:

Wir beten das Gebet, das Jesus uns geschenkt hat.

Und damit meine ich, klar, das „Vater Unser“. Sie kennen es, die Meisten hier kennen es auswendig. Mich könnte man wahrscheinlich auch Nachts um drei wecken und ich könnte es aufsagen.

Doch bei diesem Geschenk geht es mehr als ums Aufsagen, mehr als Auswendiglernen. Denn im Geschenkkarton liegt kein Gedicht mit bunter Schleife.

Im Geschenkkarton liegt DAS Gebet. Mit einer edlen Seidenschleife. Unfassbar wertvoll. Sehr alt. Eben ein ganz besonderes und wertvolles Geschenk.

 

Und ja ich bin unglaublich dankbar dafür. Für geschenkte Worte, die ich sagen kann, wenn mir selber die Worte fehlen. Für die verbindenden Worte. Für die Gemeinschaft, die entsteht wenn wir es zusammen sprechen.

 

Ich will dieses Geschenk nicht umtauschen oder zurückgeben. Ich will es behalten.

Und ich will es nicht nur Aufsagen. Ich will es beten.

Ehrlich mit Gott reden. Wissen, was ich bete. Mit ganzem Herzen und all meiner Kraft will ich beten. Das bin ich dem schuldig, der mir dieses Geschenk gemacht hat.

 

Und darum hinterfrage ich das Geschenk. Und bin so noch mehr beschenkt. Ich darf hinterfragen. Ich darf den Glauben erforschen und ausprobieren. Weiterdenken, zurückgehen, neustarten.

 

Natürlich darf ich auch einfach mal beten ohne all das. Mich verlassen auf die Worte die seit so lange so viele Menschen tragen.

 

Und immer mal wieder frage mich was ich da sage, was ich wie fülle.

 

Darum senke ich nicht meinen Kopf wenn ich es bete. Darum lege ich die Hände auf mein Herz um ganz da zu sein. Ganz ich zu sein.

 

Ich vor Gott. Ich vor dir.

Mit deinem Geschenk in meinem Herzen und Mund, ich bete:

 

Vater Unser. Moment. Wieso nicht Mutter? Wieso nicht Freund oder Freundin? Wieso nicht einfach Gott? Was ist mit denen, die einen furchtbaren Vater haben? Sollen die sich Gott so vorstellen? Du bist zu vielfältig, für einen Namen. Du bist mal Vater, mal Papa, mal Mama, mal Oma, mal Freund, mal Trost, mal Anstupser. Und immer Gott.

 

Ja ich will dich heiligen. Denn du bist besonders. Anders als alles andere und anders als alles, was ich mir vorstellen kann. Heilig. Das bist du. Und das ist darum auch dein Name. Wie auch immer der lautet. Für mich heute so und für dich da in der Bank ganz anders. Doch immer heilig.

 

Dein Reich komme… Ja, aber wie soll ich mir das vorstellen? Wie sieht es aus? Wer wohnt da? Jesus hat es beschrieben. Hat aber auch Regeln aufgestellt, wer reinkommt und wer nicht. Und wann genau kommt das? Muss ich mich vorbereiten, was muss ich da anziehen? Oder ist es schon da? Wenn es im Bauch kribbelt und wir alle hier vor dir und mit dir sitzen. Wenn die Mama ihr Baby zum ersten Mal hält und der Papa beide küsst. Kann es denn in deinem Reich noch schöner sein?

 

Dein Wille geschehe. Da würde ich gerne mitreden können. Ich hab doch auch einen freien Willen, den hast du mir doch geschenkt! Damals. Muss ich den dem deinem unterordnen? Hier auf der Erde. Für wen im Himmel soll das gelten? Wer oder was ist da?

 

Niemand soll Hunger haben, tägliches Brot, unbedingt. Ich habe es. Mein Magen muss nicht knurren. Der von so vielen anderen schon. Darum: Gib ihnen Brot. Brot aus Mehl. Brot aus Hoffnung. Brot der Vergebung.

 

„Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ So oft habe ich die Tränen gesehen bei der Beerdigung. Wenn unausgesprochenes ungeklärt blieb. So viel fällt mir ein, bei dem ich mich schuldig gemacht habe. Ich bin eben nicht heilig, das bist du. Darum vergib uns!

 

Und lass uns die schönen Versuchungen und erlöse uns von dem wirklich Bösen. Vom gefährlichen Denken in Schubladen, vom „Ich bin besser als du“. Von der Hand am Abzug und dem sterbenden Kind. Wir suchen schon so lange nach einer Lösung. Und finden sie nicht. Darum erlöse uns.

 

Dein ist alles. Also auch dein Reich, wie auch immer das aussieht. Kraft ist einer deiner Namen. Du schenkst sie jeden Tag neu. Und das ist wunderbar herrlich. Herrlichkeit strahlt und glänzt. Schon immer und für immer. Ewig.

 

So wahr ich das fühle, so ist es.

So wahr ihr das fühlt, so sei es.

So wahr Gott uns diese ewig neuen Worte geschenkt hat.

Mit dem Auftrag sie zu fühlen.

Wie Jesus, der das Geschenk als Erster ausgepackt hat.

Und uns gezeigt hat, wie es geht:

Vor Gott zu treten. Und zu beten.

Stammelnd. Flüsternd. Sicher. Unsicher. Laut. Jubelnd. Anklagend. Fragend.

 

Und immer: Beschenkt.

 

Amen.



Gehalten am 17.5.2020

Über Matthäus 6, 5-15

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