Die Träne im Knopfloch

Am Donnerstag war Himmelfahrt. Wir haben in den Himmel geblickt und uns einfach treiben lassen. Haben die Erde mal Erde sein lassen und sind ein bisschen abgehoben. Waren einen Moment zwischen Himmel und Erde.

 Um dann wieder auf der Erde zu landen. Den Blick nach vorne zu richten. Es muss ja weitergehen. Wir müssen weitergehen.

Auch wenn Jesus wieder geht. 

Auf Wiedersehen hat er gesagt. Nicht Tschüß. In den Berichten des Lukasevangeliums steht, dass Jesus seine Rückkehr ankündigt. Es wird ein Wiedersehen geben.

Aber wann?

Das wissen wir nicht. Können wir nicht wissen, auch wenn es manchmal die interessantesten Theorien dazu gibt. Jesus wird eines Tages kommen und bis dahin sind wir wieder unter uns. Wieder allein hier auf der Erde.

Nach dem Osterwunder. Nach der Emmaus Begegnung. Wir haben die Hoffnung bekommen, dass am Ende nicht alles vorbei ist. Aber was ist jetzt?

Jetzt bleibt die Träne im Knopfloch.

Der Wehmutstropfen.

Jesus ist gegangen. Er lebt eben nicht hier in Bremen, Steht nicht auf dem Marktplatz und heilt keinen Corona Virus. Läuft nicht über die Weser und weist die Mächtigen zu Recht.

Das war alles zu einer Zeit, in der wir nicht lebten. So sagen es zumindest die Evangelien.

Und dann ist Jesus gestorben, auferstanden und wieder gegangen.

Hat auf Wiedersehen gesagt.

Was bleibt ist die Träne im Knopfloch.

Die Träne blieb auch damals. Als sie ihr Land verlassen mussten: Männer, Frauen und ihre Kinder. Aus ihrem Land wurden sie vertrieben, mussten gehen weil ein anderer mächtiger Herrscher es so wollte. Ein Herrscher kam und viele mussten gehen. Ins Exil, von Israel nach Babylonien. Sie mussten jetzt in der Fremde leben.

Es ging ihnen da nicht schlecht. Aber was blieb war das Heimweh. Sehnsucht nach dem sicheren Hafen.

Psalmen berichten uns von dieser Sehnsucht. Von dem Klagen und Fragen wann es wieder so wird, wie es einmal war. Wie es doch versprochen war vom Gott, dem sie vertrauten.

Sie hofften auf ein Wiedersehen und auf Blumen im Knopfloch.

Auch sie blickten in den Himmel und hofften auf das Wiedersehen.

Immer dabei: Die Träne im Knopfloch

Und dann steckt da auf einmal ein Zettel neben der Träne. Eine Botschaft für alle, die sehnsüchtig zurücksehen und hoffnungsvoll in den Himmel blicken:

 

Gebt Acht, die Zeit wird kommen, – so Gottes Spruch im Buch des Propheten Jeremia -

da will ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund schließen.

Dieser Bund gleicht nicht dem Bund, den ich mit ihren Eltern geschlossen habe an dem Tag, als ich sie an ihrer Hand nahm, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen:

diesen meinen Bund konnten sie brechen, obwohl ich über sie geboten habe.

 

Mitten hinein in die Sehnsucht und den Blick nach oben schickt Gott eine Botschaft. Gott, auf den sie doch vertrauten und warten. Er schweigt nicht. Kurz schaut er mit ihnen zurück: Wisst ihr noch als ich euch schon einmal gehört und befreit habe? Als ich meine Versprechen gehalten habe? Glaubt ihr das ist heute anders? Was soll die Träne im Knopfloch? Ich gebe euch ein neues Versprechen:

 

So wird der Bund aussehen,

den ich mit dem Haus Israel nach jener Zeit schließen will:

Ich werde meine Weisung in ihr Inneres legen, in ihr Herz werde ich sie schreiben.

Ich werde ihnen Gott und sie werden mir Volk sein.

Sie werden einander nicht mehr belehren und weder zu den Mitmenschen noch unter den Geschwistern sagen: Lerne Gott kennen!

Denn sie alle werden mich kennen, alle von Klein bis Groß.

Denn ich werde ihre Vergehen verzeihen und an ihre Unrechtstaten nicht mehr denken.

 

Was macht sie jetzt die Träne im Knopfloch? Sind diese Worte genug sie zu trocknen?

Die Aussicht auf den neuen Bund. Wenn alle Gott kennen werde und alle Vergehen vergeben und vergessen sein werden. Wenn Gott im Herzen der Menschen wohnt.

 

Der Versuch durch Hoffnungsworte die Träne zu trocknen geschieht immer wieder. Damals im Jeremiabuch, später bei Lukas zur Himmelfahrt, noch später im Johannesevangelium:

 

Nach jener Zeit gibt es den neuen Bund. Noch eine kurze Weile, dann werde ich wiederkommen. Auf Wiedersehen, eines Tages kommt Jesus zurück.

 

Hoffnungsworte gegen den sehnsüchtigen Blick zurück.

Um weitergehen zu können und nicht immer in den Himmel blicken zu müssen.

Statt einer Träne eine blühende Rose im Knopfloch zu tragen.

 

Nicht immer ist das so einfach. An einer Hoffnung festzuhalten, die erst noch erfüllt werden wird. Zu Träumen ohne Gewissheit zu haben und zu glauben ohne je einen Beweis zu bekommen.

Denn selbst wenn der neue Bund erfüllt wird, wenn Jesus wiederkommt. Werden wir es merken? Und wenn ja, wie? Gibt es eine Apokalypse mit Donnerwetter und Blitzen? Schlägt das Herz auf einmal schneller, wenn Gott seine Weisungen dareinschreibt? Wie sieht der Tröster aus, den Jesus da sendet?

 

Sie merken, ich stelle auch nur Fragen. Weil ich es nicht weiß. Weil auch ich die Träne im Knopfloch immer dabei habe. Manchmal ist sie kaum zu sehen und manchmal tropft sie auf meinen Pullover.

An manchen Tagen blicke ich nur zurück und sehne mich nach Sicherheit und guten alten Zeiten. An anderen Tagen schaue ich nach vorne und glaube fest daran, dass alles einmal gut wird. Vielleicht geht Ihnen das ähnlich. So wie es den Menschen im Exil ging, und den Jüngerinnen und Jüngern als Jesus wieder gegangen war.

 

Für die Träne im Knopfloch müssen wir uns nicht schämen. Für die Momente der Sehnsucht und Hoffnungslosigkeit. Sie gehören dazu.

 

Und wenn kein Taschentuch zur Hand ist, dann probieren Sie es doch einfach mal mit den tröstenden Hoffnungsworten.


Amen.


Gehalten am 24. Mai 2020

Über Jeremia 31,31-34

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