Interview mit dem Nikolaus

 

I: Vielen Dank, dass Sie uns heute für dieses Interview bereitstehen sehr geehrter Herr Nikolaus! Ich muss gestehen, dass ich doch ganz schön aufgeregt bin und mich sehr geehrt fühle Ihnen heute hier ein paar Fragen stellen zu dürfen.

 

N: Die Ehre ist ganz meinerseits. Dass nach so vielen Jahrhunderten immer noch so ein großes Interesse um meine Person besteht, finde ich ja schon erstaunlich. Es ist so lange her, dass ich gewirkt habe. So lange her und immer noch feiern Sie mich alle am 6. Dezember. Da fühle ich mich schon geschmeichelt. Was ich ja eigentlich gar nicht mag…

 

I:  Was mögen Sie nicht?

 

N: Ach so im Mittelpunkt zu stehen. Das ist nicht meins. Das habe ich noch nie gemocht. Nicht als ich gelebt habe und heute ebenso wenig.

 

I: Sie würden sich also eher als bescheidenen Menschen beschreiben?

 

N: Auf jeden Fall. Sehen Sie, als ich gelebt habe, da war ich einfach nur ein Priester. Ich habe mich immer als Diener Gottes gesehen. Ich wollte so leben, wie Jesus damals gelebt hat. Für andere!

 

I: Dafür sind Sie dann ja ganz schön berühmt geworden und stehen seitdem immer im Mittelpunkt und sind der Traum vieler Kinder!

 

N: Das ist ja auch eigentlich schön! Dass die Kinder von mir träumen. Als der, der ihnen etwas Gutes tut. Einfach damit sie lächeln und sich freuen. Das ist das einzige, was ich will! Darum habe ich ja auch all das gemacht damals.

 

I: Ich glaube, das müssen Sie uns nochmal genauer erklären. Was genau haben Sie damals getan?

 

N: Was ich genau getan habe? Nun Ja ich habe immer versucht Menschen, denen es schlecht ging zu helfen. So wie dem Vater mit seinen drei Töchtern. Der wollte doch ernsthaft seine Töchter auf dem Markt verkaufen! So wie man Kartoffeln und Äpfel verkauft! Und alles nur weil sie kein Geld hatten. Da konnte der Mann nichts dafür und die Töchter erst Recht nicht. Da kann ich doch nicht tatenlos zusehen! Und habe ihnen dann die Goldklumpen nachts ins Zimmer gelegt. Ich kann meine Hilfe nicht verweigern.

Nicht, wenn ich mich an das halte, was ich bei meiner Berufung zum Priester geschworen habe. Diener Gottes zu sein. Die zu trösten, die getröstet werden wollen. Denen die Fesseln zu lösen, die gefangen sind.

Ach und die anderen vielen Legenden. So richtig kann ich mich auch nicht an alles erinnern. Kann sein, dass ich mal einem Paar geholfen habe, doch noch ein Kind zu bekommen. Kann sein, dass ich mal dafür gesorgt habe, dass alle genug Körner hatten, um Brot zu mahlen…

 

I: Kann es sein, oder war es so? Stimmen diese ganzen Wunder und Legenden, die sich um Sie ranken?

 

N: Ist das so wichtig?

 

I: Naja in der heutigen Zeit schon. Wir sind sehr daran interessiert zu wissen, was wahr ist und was nicht. Nur an etwas zu glauben, das fällt uns ganz schön schwer im Jahr 2020.

 

N: Das war zu meinen Lebzeiten anders. Da war es gar nicht so wichtig, ob etwas stimmte. Was zählte, war der Glaube. Und wie die Menschen dann aus diesem Glauben gehandelt haben.

Schauen Sie mal, wenn die Menschen geglaubt haben, dass ich einem kinderlosen Paar doch ein Kind geschenkt habe. Dann hat das nächste Paar wieder Hoffnung geschöpft und schon war die Frau schwanger. Und wenn ich anderen mit wenig Geld geholfen habe und die anderen gesehen haben, wie glücklich dass die Menschen macht, dann haben viele andere auch angefangen zu helfen. Und das ist doch die Hauptsache! Was der Glaube alles bewegen kann!

 

I: Wenn ich das richtig verstehe, sehen Sie sich hauptsächlich als Botschafter?

 

N: Als Botschafter Gottes. Genau! Ich bin natürlich kein Engel und auch kein Prophet. Ich war ein einfacher Priester und Bischof, der sein Leben ganz Gott und seinen Nächsten gewidmet hat.

I: Das klingt alles sehr nett und auch sehr vorhersehbar, wenn ich ehrlich sein darf.

 

N: Vorhersehbar? Was meinen Sie denn damit?

 

I: Es ist doch klar, dass Sie als Bischof so antworten müssen. Diener Gottes sein und so. Wieso haben Sie dann nicht auf den Luxus verzichtet? Und arm gelebt? Als Bischof hatten Sie doch schon auch einige Macht. Und wenn ich mich richtig erinnere haben Sie auf einem Kirchenkonzil damals auch ganz schön laut und deutlich ihre Meinung gesagt und andere verurteilt. Tut das ein Diener Gottes, der nur das Beste für die anderen will?

 

N: Jetzt kommen sie ernsthaft mit diesen alten Geschichten? Hören Sie mal, dieser Arius hat aber auch wirklich Quatsch erzählt damals. Gott und Jesus zwei verschiedene Personen, wo kommen wir denn da hin? Natürlich musste ich da laut werden und meine Macht als Bischof nutzen.

 

I: Also geben Sie es zu? Dass sie Macht hatten und schon auch mal gegen andere waren?

 

N: Natürlich. Ich war auch nur ein Mensch.

 

I: Nur ein Mensch. Das ist eine interessante Aussage von einem, der doch einmal im Jahr auf wundersame Weise allen Kindern etwas in die Schuhe tut. Wie soll ein Mensch das denn schaffen?

 

N: Und da sind wir wieder bei der Glaubensfrage… Sie müssen denke ich aufhören mich als Person, die damals gelebt hat mit mir als Legende zu vermischen. Auch wenn Sie das heute im Jahr 2020 ja anscheinend schwer aushalten. So ohne Fakten leben zu müssen.

Ja, ich bin der Nikolaus. Einmal im Jahr mache ich alle Kinder glücklich und lege ihnen kleine Geschenke in ihre Schuhe.

 

I: Darf ich da mal kurz unterbrechen? Wieso eigentlich in Schuhe? Mögen Sie einfach Schuhe so gerne?

 

N: Gegen schöne Schuhe ist nie etwas einzuwenden. Aber nein, das hat einen anderen Grund. Wissen Sie, am Anfang habe ich die Gaben immer durchs Fenster geworfen, wie damals eben die Goldklumpen. Doch dann kommt es darauf an, wie gut die Kinder hinter den Fenstern fangen können. Und da gehen die kleineren immer ärmer aus, als die Großen. Damit also alle gleich viel bekommen habe ich angefangen die Geschenke in kleine Schalen zu legen, die mir die Kinder hingestellt haben. Und weil manche arme Familie nicht mal eine Schale hatte, haben sie ihre Schuhe genommen. Und wie das bei Legenden dann so ist, haben auf einmal alle Schuhe hingestellt, bis heute.

 

I: Verrückt. Das habe ich noch nie gehört! Und stimmt es, dass Sie nur in saubere Schuhe etwas legen? Und was ist eigentlich mit Knecht Ruprecht?

 

N: Diese Fragen erübrigen sich doch eigentlich. Haben Sie mir vorhin nicht zugehört? Ich will den Kindern eine Freude machen. Ich möchte, dass sie von mir träumen und morgens früh es kaum aushalten können zur Tür zu rennen und ihre Geschenke zu sehen. Und dass sie dann den ganzen Tag glücklich sind und ihre Eltern somit auch. Dass sie alle an das Gute in der Welt glauben. An einen, der hilft. Und dann auch selbst anderen helfen.

Ich habe absolut kein Interesse an sauberen oder dreckigen Schuhen und vor allem nicht an Kindern, die Angst haben. All das sind Legenden, die sich später andere ausgedacht haben. Damit will ich nichts zu tun haben!

 

I: Klare Ansage, ich merke, sie können ganz gut mal Ihre Meinung sagen. Da hab ich dann gleich noch eine pikante Frage. Was sagen Sie zu den unglaublich vielen Geschenken, die manche Kinder bekommen? Ist das noch vertretbar?

 

N: Geschenke sind Geschenke. Sie lassen die Augen der Kinder leuchten. Schenken Sie nicht gerne anderen Menschen etwas?

 

I: Doch, ehrlich gesagt liebe ich es anderen Geschenke zu machen.

 

N: Da haben Sie doch Ihre Antwort. Solange Sie sich das alles leisten können und sich nicht unglücklich machen ist doch alles gut!

I: Sehen Sie, da hätte ich jetzt eine ganz andere Antwort von Ihnen erwartet. So mehr Richtung: die Liebe Gottes kann man nicht mit Geld kaufen oder so.

 

N: Kann man ja auch nicht. Aber darum geht es doch nicht! Am 6. Dezember komme ich und schenke Kindern einen guten Tag. Einen Tag voller Hoffnung. Den einen mit einer Mandarine und den anderen mit einem elektrischen Auto. Meine Botschaft bleib dabei immer gleich: Liebe deinen Nächsten. Schenke ihm einen guten Tag. Und er wird anderen einen schönen Tag schenken.

 

I: Und wie stehen Sie dann zu Ihrem Kollegen, dem Weihnachtsmann?

 

N: Diese Frage kommt ja echt jedes Mal… Um eines klar zu stellen: Ich bin nicht der Weihnachtsmann! Ich habe eine Bischofsmütze auf, keine alberne Pudelmütze. Ich bin eine Legende, die sich auf eine historische Figur beruft, die Diener Gottes war. Ohne Eigennutz, ohne Werbevertrag mit Coca Cola.

 

I: Sie und der Weihnachtsmann scheinen nicht so die besten Freunde zu sein. Aber ich habe das Gefühl, das würde jetzt auch zu weit gehen. Da müssen wir uns wohl mal für noch ein Interview verabreden.

 

N: Lassen Sie es mich so formulieren: Der Weihnachtsmann und ich sind Kollegen. Mit einer etwas komplizierten Beziehung. Generell habe ich nichts gegen ihn. Wir sind beiden an nur einem Ziel interessiert: leuchtenden Kinderaugen, die Hoffnung ausstrahlen und weitergeben.

 

I: Ich bin mir sicher, das haben Sie heute wieder einmal geschafft!

 

N: Das hoffe ich doch. Und wenn ich noch eine Sache sagen darf. Egal wie oft man mir als Schokoladenfigur den Kopf abbeißt. Egal wie oft ich als Ausrede für teure Geschenke genutzt werde. Egal wie oft ich aussehe wie der Weihnachtsmann und man einfach meine Bischofsmütze streicht.

Alles, was ich getan habe und alles was ich tue ist getragen von meinem Glauben:

 

Denn der Geist  Gottes ist auf mir.

Weil Gott mich gesalbt hat, bin ich gesandt,

den Armen frohe Botschaft zu verkünden,

die zu verbinden, die ein zerbrochenes Herz haben,

auszurufen den Gefangenen die Befreiung

und den Gefangenen die Lösung ihrer Fesseln.

 

I: Mehr als „Amen“ kann ich dann jetzt auch nicht mehr sagen. 

 

Gehalten am 6. Dezember 2020, 2. Advent

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