Tag der offenen Tür

 

Tür zu.

Ende November. Endlich.

Den Schlüssel im Schloss einfach umdrehen. Am besten den Schlüssel einfach wegwerfen.

Bloß Schluss mit dem grau und der Müdigkeit und der Traurigkeit.

Dieser schweren Traurigkeit, die sich wie der dunkle Mantel jeden Tag im November fest und fester um uns gelegt hat.

Aufstehen, warum denn? Schau aus dem Fenster.

Es ist November.

Decke über den Kopf und Kakao in die Hand.

Die Nachrichten lieber gar nicht mehr hören. Das macht alles nur noch schlimmer.

Können wir nicht dieses Jahr einfach alle Winterschlaf halten und im Frühjahr wieder aufwachen?

Und jeden Morgen doch wieder aufwachen, aus dem Fenster sehen.

Immer noch November.

Er ist hart und er war nötig.

Es war nötig.

Alles rauszukramen. Das schlechte Gewissen, die ungeweinten Tränen, die große Müdigkeit.

Alles einmal nach oben holen, als immer wieder vergraben. Der November will das.

Fordert das und meistens lassen wir uns doch mitziehen, oder? Lassen die dunklen Vögel zu.

Lassen uns voll auf den November ein.

 

Doch jetzt. Ende November. Endlich.

Jetzt ist es geschafft. Tür zu.

Tschüss November.

Auf Wiedersehen.

Tür zu.

 

Sie fällt ins Schloss.

 

Und wir - stehen schon wieder im Dunkeln.

November vorbei, und jetzt?

Das Wetter ist nicht besser geworden.

Es wird immer früher dunkel und immer später hell.

Die Müdigkeit ist immer noch da. Und die Nachrichten werden auch nicht besser.

Eigentlich alles wie vorher.

Die Tür hinterm November ist zu. Und wieder ist es Dunkel.

 

Blind tapsen wir weiter.

Irgendwo dazwischen.

Zwischen dem was war und dem was kommt.

Zwischen der geschlossenen Tür und…

 

Da. Aua. Kopf gestoßen.

Denn hier mitten im Dunkeln.

Mitten dazwischen.

Stoß an den Kopf.

Voll gegen die Tür gerannt.

Nicht die alte.

Sondern eine neue.

Plötzlich ist sie da.

 

Mitten im Dunkeln.

In dem alles so scheint wie es war.

 

Scheint es.

Noch ganz zaghaft.

Kaum zu sehen.

Doch langsam gewöhnen sich die Augen an die Dunkelheit.

Einmal fest die müden Augen reiben.

Nochmal nachsehen.

 

Doch.

Da ist es.

Es scheint.

 

Es scheint.

Es scheint als ob dahinter etwas ist.

Es scheint in das Dunkel.

Mitten in das Dazwischen.

 

Die neue Tür - ist nicht verschlossen.

Ein ganz kleiner Spalt steht auf.

 

Schau genau hin.

Komm ruhig näher.

 

Und je näher du kommst, merkst du.

Es scheint nicht nur.

So.

Es strahlt.

So klein der Spalt auch noch ist.

 

Der Strahl trifft dich.

Mitten hinein.

Er duftet. Nach Tannen und Lebkuchen.

Er wärmt. Wie die vier Kerzen am Kranz.

Er erinnert dich. An das kleine weltverändernde Baby.

Er spricht. Zu dir.

Mitten hinein.

 

In dein Dunkel.

In dein Dazwischen.

 

Er spricht:

 

Du, freue dich sehr!

Du, Jauchze!

Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer,

arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin.

 

Kannst du ihn sehen?

Erahnen?

Da.

Hinter der Tür.

Hinter dem Spalt.

Noch ganz klein.

Doch bald ganz groß.

 

Die neue Tür verspricht all das.

 

Und dir bleibt nur noch eins.

 

Mach sie auf.

Mach den Spalt groß und größer.

Mach die Tür auf.

Mach die Tore weit auf.

Dass der ewig Leuchtende einziehen kann.

 

Zu dir.

Zu uns.

 

Worauf wartest du noch?

 

Mach sie einfach auf!

 

Amen. 

 

 Gehalten am 29. November 2020, 1. Advent

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