beGEISTert

Es gibt da einen Spruch, den ich in meinem Studium zigmal gehört habe. Meistens in Seminaren, in denen wir lernen sollten Predigten zu schreiben: 

„Und wenn euch nichts einfällt, dann wartet doch ab, bis der Geist vorbei kommt und es euch sagt. Der Geist weht, wo er will!“

Haha. 

Die ersten zwei Male klang das vielleicht noch ganz lustig. Aber nach dem zehnten Mal konnte ich für meinen Teil nicht mehr darüber lachen. Meinen die das Ernst? Soll ich mich da jetzt an meinen Schreibtisch setzen und Däumchen drehen und dann kommt irgendwann der Geist?

Klar, dass mit dem Abwarten würde ich schon hinbekommen. Nur, wenn er dann kommt,  also falls das wirklich passieren sollte, woran erkenne ich ihn denn dann?

Diesen Geist. 

Nachher kommt er und ich merke das gar nicht? Nein, ich habe mit diesem Spruch nicht viel anfangen können, er hat mich echt genervt. Warte doch ab, bis der Geist kommt. Denn der weht ja schließlich wo er will. 


Der Geist weht wo er will. Das haben sie bestimmt auch schon mal gehört. Meistens nervt dieser Satz, wie damals in der Uni. Denn er bietet nicht wirklich eine Lösung an.

Lange wusste ich nicht, dass dieser Satz auch ein Bibelzitat und nicht nur ein blöder Spruch in Seminaren ist. Der Satz steht im Johannesevangelium (da steht sowieso sehr viel über den Geist, aber dazu später) und macht für mich mehr Fragen, als Antworten auf:

Wer ist er denn jetzt dieser Geist?

Wieso weht der?

Wo ist er denn am Liebsten?

Und was genau will er?


Und wann wenn nicht heute wäre eine gute Gelegenheit diesen Fragen einmal nachzugehen. Heute an Pfingsten ist schließlich sein Tag, die Party für den heiligen Geist. Der Tag, an dem wir ihm doch vielleicht mal begegnen könnten, falls er denn grad hier und jetzt bei uns wehen will. 


Er der Geist. Und da fängt es ja schon an, wieso denn eigentlich er? Wer sagt, dass der Geist ein Er ist? Die deutsche Grammatik sagt das. Doch schauen wir, wie es gute Theolog*innen tun, was Geist in anderen Sprachen heißt, dann ist da „das Geist“ to pneuma im Griechischen und „die Geist“ Ruach im Hebräischen. Also alles dabei und keine klare Antwort. Na super. 

Vielleicht hilft es zu fragen was genau dieser Geist denn macht? 

Um es vorwegzunehmen, da würde ich heute noch drei Stunden hier reden müssen, um euch das alles zu erzählen. Angefangen im Alten Testament wo Ruach die Schöpferkraft Gottes ist, die jedes Wesen hat, das lebt, über Geist als Begabung der Propheten, über Maria, die nur durch den Geist schwanger wird, hin zu Jesus, der den Geist nach Himmelfahrt zu den Jüngern und Jüngerinnen schickt. Geist ist viel und oft in den biblischen Texten zu finden und viele dicke Bücher und wichtige Menschen, haben sich mit ihm beschäftigt. Klar ist: Geist ist eine Kraft Gottes, die uns mit dem Göttlichen in Verbindung bringt. Sozusagen eine Beziehung schaffen kann zwischen den Menschen und Gott.

Doch den Geist schlechthin scheint es nicht zu geben. 

Jedenfalls ist er keine Person, die kommt und mir die Predigtidee ins Ohr flüstert. 

Geist bleibt rätselhaft, schwammig, nicht zu greifen, eben wie ein Windhauch. 

Denn auch das ist eine Übersetzung für Ruach. Wind, Hauch, Atem. Darum weht er der Geist, weil er nicht zu greifen ist. Wie ja auch in der Pfingstgeschichte, wenn das große Brausen kommt. 


Halten wir fest: Was genau der Geist ist, sagen uns auch keine schlauen Bücher. Und Wind eignet sich eben darum als ein Bild für ihn, weil er so ein angreifbarer Luftikus ist. 


Bleiben die Fragen, wo er denn weht und was er will? 


Und weil ich mal wieder festgestellt habe, wie ihr eben gemerkt habt, dass mir die vielen theologischen Gedanken nicht konkret weiterhelfen, auch wenn sie alle unglaublich spannend sind, wende ich mich mit diesen Fragen an mich und euch.


Wo ist der Geist? Diese Geisteskraft Gottes?


Einmal war ich im Krankenhaus in Berlin. Im Studium habe ich dort Seelsorge-Erfahrungen sammeln dürfen. Ich bekam eine Station zugeteilt und dann stand ich da in diesem langen Flur. Mit diesem typischen Krankenhausgeruch nach schlechtem Essen und Desinfektionsmittel. Die Türen sahen mich alle an und sagten: Hannah, mach mich auf! Und ich wollte nicht. Denn was ich hinter diesen Türen finden würde, keine Ahnung. 

Eine Weile bin ich dem Flur auf und abgegangen, habe die Hand an Klinken gelegt und wieder zurückgezogen. Am Ende des Flurs habe ich all meinen Mut zusammengenommen und geklopft. Da an dieser letzten Tür. Dahinter ein Mann im Sterben und seine Frau. Geredet haben wir, über Kreuzfahrten, die sie noch machen wollten, über ihre Kinder und am Ende hat sie meine Hände genommen und ich habe ihr versprochen für sie und ihren Mann zu beten.

Mit Gänsehaut und einem vollen Herzen habe ich die Tür wieder geschlossen.

Mehr Türen habe ich an diesem Tag nicht aufgemacht. 

Und später sagte der Krankenhausseelsorger in seinem Büro diesen einen Satz:

Manche nennen es Zufall, ich nenne es anders.


Vor gut einem Jahr kam ich mit dem Auto auf einem Parkplatz an. Ich stieg aus und schaute mich um. Es war ein grauer Tag, windig und kalt, und ich war skeptisch und neugierig. Wo war ich hier gelandet? Nach einer halben Stunde nochmal ein neuer Parkplatz. Immer noch grau und wieder habe ich mich umgesehen. 

Skeptisch war ich nicht mehr. Ich war mir sicher: Hier gehörst du hin. 

Manche nennen es Zufall, ich nenne es anders.


Und hier stehe ich heute, direkt neben dem einen Parkplatz von damals und versuche euch etwas über die Geisteskraft Gottes zu erzählen. Die ich nicht besser beschreiben kann, als mit diesen Geschichten. 

Wo ist der Geist?

Da wo genau das passiert. Überraschendes, was genau passt. Was sich im Bauch gut anfühlt und den Kopf beiseite lässt. Mal als ganz kleiner Windhauch und mal als große Böe. Doch immer genau richtig und unvorhersehbar.

Kennt ihr eben diese Momente? Dieser Zufall, der am Ende keiner war?

Momente des genau richtigen, ohne dass ihr es habt kommen sehen? Wenn die Verbindung zwischen uns und dem Göttlichen einfach geschieht. 


Bleibt nur noch die eine Frage: Was will er denn jetzt der Geist?


15Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten.

16Und ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern

Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit:

17den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.


Jesus hat uns den Geist angekündigt und versprochen, als einen Tröster hier im Johannesevangelium. In uns und bei uns wird er sein, wenn Jesus nach Himmelfahrt nicht mehr sichtbar hier ist. Trösten soll er und stärken, für immer. 

Die Verbindung zwischen uns und dem Göttlichen aufrecht erhalten. 

Und genau das ist es.

Das will er, dieser Geist. 

Diese Kraft, unsichtbar und schwammig wie die Luft, die um uns weht. 

Der Zufall sein, der keiner war.

Dadurch will er ermutigen, dass es diese Momente immer wieder geben kann und wird. 

Besonders dort, wo wir mit diesem Zufall rechnen: Hier.

In unserer Gemeinschaft, in unseren Gemeinden. 


Der Geist weht, wo er will. Und er will es hier unter uns. Ganz bestimmt. Wir müssen auf ihn vertrauen und hoffen. Auch wenn wir nie so richtig wissen werden, was, wer und wo dieser Luftikus denn nun will und kann. 

Wenn es soweit ist werden wir es fühlen. Nicht wissen, aber fühlen:


Wenn im Gottesdienst dieses eine Wort genau zur richtigen Zeit kommt. 

Wenn auf dem Friedhof der Sonnenstrahl genau auf die eine Blume am Grab fällt, die sie so gerne im Garten hatte.

Wenn das Lachen am Tisch ansteckt und alle. 

Wenn auch bei den schwersten Aufgaben klar ist: Wir machen das zusammen als Gemeinschaft, wie damals die lallenden Menschen in Jerusalem gestartet sind. Ohne Ahnung was kommt, doch mit Vertrauen und einem guten Gefühl im Bauch. 


Manche werden es Zufall nennen, doch wir nennen es anders…


Achja. Heute lache ich nicht mehr über diesen Satz damals aus meinen Seminaren. Warte doch ab, der Geist kommt, der weht schließlich, wo er will.

Heute sitze ich manchmal am Schreibtisch und warte. Und dann komm die eine Musik oder die eine Meldung auf dem Handy oder deine Blick in das Bücherregal und ich beginne zu tippen. Und genau so sind diese Worte für heute entstanden. 


Manche werden es dann Zufall nennen.


Amen. 



Gehalten am 23. Mai 2021

Pfingstsonntag 



Kommentare

Beliebte Posts