Stück vom Himmel

 Hier in meiner Hand ist es. Ich halte es besser ganz doll fest. Wer weiß, wie schnell ich es verlieren könnte! Ich mache jetzt lieber alles nur mit einer Hand. So wie wenn mein absoluter Lieblingssänger meine Hand bei einem Konzert berührt hätte - die Hand wasche ich nie wieder! Ich lebe lieber wie Captain Hook. Der ist mit einem Arm ja auch ganz gut durch das Leben gekommen. 

Und jetzt wollt ihr natürlich wissen, was ich hier in der Hand halte? Ich verrate es euch: Hier in meiner Hand halte ich es: 


Ein Stück vom Himmel

Ein Platz von Gott

Ein Stuhl im Orbit 


Als ich das Stück vom Himmel fand, hab ich grad dieses Lied gehört. Mitten auf der Straße war es. Ich hatte es nicht kommen sehen und da war es auf einmal. Und jetzt lass ich es nie mehr los. Mein Stück vom Himmel. 


Herbert Grönemeyer. Man mag ihn mögen oder nicht. Doch er träumt wie wir vom Himmel. Von einem kleinen Stückchen Himmel hier auf der Erde. 

Er ist nicht der Erste, der davon träumt. Aber er hat seinen Traum in dieses Lied verpackt, das wir gerade schon gehört haben. 


Ein Stück vom Himmel - ein Platz von Gott. 

Wie sieht der aus? Das sagt Herbert uns nicht. Das muss er wahrscheinlich auch gar nicht. Ich tippe, dass jede und jeder von euch sofort ein Bild, ein Gefühl eine Idee hat, was ein Stück vom Himmel ist. Oder?

Was ist das für euch, ein Stück vom Himmel?


….


Zeitung lesen im Garten.

Kuscheln. 

Lachen meiner Kinder. 

Zusammen sein mit verlorenen Liebsten. 

Frieden auf Erden. 

Schweigende Waffen. 

Vertrauen zueinander. 

Keine Verurteilungen weil einer anders ist. 


Das sind meine spontanen Himmelsstücke. Sie ploppen nur so auf. Meine Liste könnte wahrscheinlich noch sehr viel länger werden.

Und dabei fällt mir auf: 

Ich habe immer wieder kleine Stücke vom Himmel. 

Das Lachen meiner Kinder und ganz manchmal auch ungestörte Zeit im Garten Zeitung zu lesen zum Beispiel. 


Ich habe aber auch vieles, was nicht himmlisch ist auf meiner Liste. 

Ich stelle fest: Es gibt sehr viel, was auf dieser Erde himmlischer sein könnte. 


Und genau davon singt Herbert auch. 

Er zählt auch diese Widrigkeiten auf, die seinem himmlischen Traum im Wege stehen. Und fragt und fragt.

Fragt die großen Fragen der Menschheit: 


Warum in seinem Namen? 

Welche Armee ist heilig? 

Welches Ideal heiligt die Mittel? 


Er spricht ihn direkt an: Den große Traum vom Frieden und sein ewiger Gegner der Krieg.

Gewalt und Tot am Besten noch im Namen einer Religion. Schwarz weiß denken, das zu Blut und Schuld führt.

Ein Traum für Fanatisten, aber nicht für uns. 


Und leider, leider hat Herbert Grönemeyer auch keine Antwort auf diese großen Fragen. 


Er stellt jedoch fest: Religion wird benutzt. Gott wird benutzt. Für eigene Wünsche und Ideale. Für Ziele, die einem selbst helfen sollen. 

Ja, ich denke Fanatisten wollen auch ein Stück vom Himmel. 

Aber sie wollen es eben nur für sich selbst. Und wollen bestimmen wie der Himmel auszusehen hat.

Und haben wir nicht gerade gemerkt, dass für jeden und jede von uns das Stück vom Himmel so viele verschiedene Facetten hat?

Und wahrscheinlich ist heute die eine Sache ganz besonders himmlisch und morgen die andere. 

Oder wie es Herbert sagt:

Es gibt Milliarden Farben

Und jede ist ein eigenes Rot


Herbert kommt mit den Kreuzrittern - und klar die waren eben solche Fanatisten, die nur ihr rot gesehen haben und keine andere Facetten akzeptieren wollten. Und ich muss euch die vielen anderen religiösen Fanatisten bestimmt nicht aufzählen, die immer wieder Leid und und Unheil im kleinen wie im Großen bringen. Wenn ihre Vorstellung der Religion, des Himmels auf Erden, der für alle anderen sein muss. 


Manchmal scheint es mir als wollte Herbert sagen, dass die Religionen eigentlich dem Stück vom Himmel im Wege stehen. Dass man ohne sie besser dran ist und besser zum Stückchen Himmel kommt. Und ich kenne sehr viele Menschen, die das genau so sehen. Die ein leben ohne Religion besser finden und ihren Himmel so erreichen wollen und können. 


Ich weiß nicht, welche Religion Herbert hat, ob er einer angehört oder nicht. Doch ich höre: Er singt immer vom Platz von Gott. 

Gott und Himmel scheinen für ihn zusammenzugehören. 


Das schient ganz schön kompliziert zu sein mit Herbert und dem Himmel. 


Aber wer hat gesagt, dass es einfach wäre?


Nun sitzen wir ja heute hier in einer Kirche, in einem Gottesdienst. Und ich, die ich ein Stück vom Himmel in der Hand halte bin auch noch Pastorin. 

Dass der Himmel und Gott für uns, für mich irgendwie zusammenhängen, ist naheliegend. Und trotzdem werde ich niemandem vorschreiben, wie das Stück vom Himmel auszusehen hat. Welches Rot es denn unbedingt sein muss.

Was ich mache ist Geschichten erzählen.

Und die kennt auch Herbert, er singt: 


Es sind Geschichten

Sie einen diese Welt

Nöte, Legenden,

Schicksale, Leben und Tod

Glückliche Enden, Lust und Trost


Hier neben mir liegt das dicke Buch, das alle diese Geschichten kennt und erzählt. Und damit den Himmel ein bisschen auf die Erde holt.

Denn genau darum geht es in der Bibel immer: Geschichten, die Menschen mit Gott erlebt haben, stehen in ihr. Und damit holen sie ein Stückchen vom Himmel auf die Erde. 


Nicht nur weil sie davon erzählen, weil sie das Leben mit aller Lust und Trauer beschreiben und zeigen, wie Gott darin vorkommen kann. Uns Hinweise geben, wie wir Gott in unserem leben begegnen können.

Auch, weil sie zeigen was wir dafür tun können, dass genau das, was dem Himmel im Wege steht verhindern. Das was Herbert kritisiert: Krieg, Gewalt, Fanatismus, Egoismus. 


Die Erde ist freundlich

Warum wir eigentlich nicht?


Warum eigentlich? Es steht doch alles dadrin! 

Selig sind, die barmherzig sind. Selig sind die Friedfertigen.

Selig sind die Liebenden. 

Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst.

Und so einfach ist das, das Stück vom Himmel auf der Erde. 

Ein Vorgeschmack für das, was irgendwann kommt, wenn unser Leben vorbei ist. Oder was kommt, wenn einmal die Zeit ein Ende hat. 


Und so einfach ist es eben nicht. 

Klar lesen und hören wir wie Jesus klar beschreibt, wie wir den Himmel auf die Erde holen könnten. Und tun es eben nicht. Zumindest nicht immer. 


Herbert hat dann leider doch Recht. Freundlich sind wir einfach nicht immer. Und, wir denken zu oft an uns selbst,.


Und da muss ich mich jetzt auch an die eigene Nase fassen. Hier stehe ich und versuche die ganze Zeit meine Hand bloß nicht aufzumachen, will mein Stück vom Himmel unbedingt für mich behalten. Es euch nicht zeigen.


So funktioniert es nicht. 


Denn ein Stück vom Himmel allein in meiner Hand bringt gar nichts. 

Alleine kann ich nichts tun. 

Nicht helfen, nicht handeln, nicht erzählen (zumindest hört dann niemand zu) - alleine bekomme ich kein Stück vom Himmel auf die Erde.

Alleine bliebe nur die Liebe zu mir selbst, ohne die zu meinem Nächsten. 


Ein Stück vom Himmel. 

Ein Platz von Gott. 


Den bekommen wir nur zusammen. Wenn wir uns an die Geschichten halten, die wir uns hier immer wieder erzählen. 

Wenn wir uns von unseren himmlischen Vorstellungen erzählen und zusammen handeln.

Helfen, Zuhören, Verstehen, nicht Urteilen, nicht Kämpfen. 

Einschreiten, laut werden.

Unsere Religion nicht über die andere stellen. 

Zusammen mit anderen von verschiedenen Rots träumen. 


Und da hole ich jetzt am Ende noch zu Herbert, Dorothe dazu. Denn keine hat es besser zusammengefasst, wie wir das Stück Himmel auf die Erde holen können. Für uns zusammen mit der Kraft des himmlischen Gottes, der uns genau dafür seinen Geist geschickt hat:


Ich glaube an den Geist,

der mit Jesus in die Welt gekommen ist, an die Gemeinschaft aller Völker

und unsere Verantwortung für das, was aus unserer Erde wird,

ein Tal voll Jammer, Hunger und Gewalt oder die Stadt Gottes.

Ich glaube an den gerechten Frieden, der herstellbar ist,

an die Möglichkeit eines sinnvollen Lebens für alle Menschen,

an die Zukunft dieser Welt Gottes.


Die Welt Gottes, das Stück Himmel auf der Erde.

Wir können es schaffen. 

Schnappt euch, euer Stück. Puzzeln wir sie zusammen. 


Wie Herbert sagt: 


(Komm her los jetzt)


Amen. 


gehalten am 1. August 2021
Grundlage: Herbert Grönemeyer "Ein Stück vom Himmel"

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