Wir ernten, was wir...

 Eigentlich ganz einfach das Prinzip. Eigentlich gar nicht so schwer zu verstehen und einfach umzusetzen. 

Erst ganz klein, dann immer größer, dann Ernte. 

Erst ein Samen, dann eine Pflanze, dann Gemüse, oder Obst, oder Weizen, oder Blume, oder, oder…

Gesät, gewartet, geerntet. 


Wir ernten, was wir säen. 

Und heute an Erntedank ernten wir. 

Und bedanken uns für die Ernte, die aus unserer Saat hervorgegangen ist. 

Eigentlich ganz einfach. 

Dieses Prinzip:


Wir ernten, was wir…


Aber halt. Dieses Wir ist eigentlich ganz schön falsch in meinem Mund. Von diesen Erntegaben auf dem Altar habe ich nichts gesät. Und auch nichts geerntet. Vielleicht hat es sich schon rumgesprochen, die Pastorin hat eher einen ziemlich schwarzen Daumen. Was ich säe - ernte ich meistens nicht. Denn in den meisten Fällen wird aus einem Samen, den ich in die Erde drücke keine Pflanze. Höchstens Unkraut wächst da, wo eine schöne Blume wachsen sollte. Schön bleibt sie leider nur auf dem Bild der Verpackung der Samen. In einer Vase wird sie nie stehen. 

Und so einen Kürbis, wie er hier liegt, der würde bei mir nie wachsen. Da könnte ich so viel säen, wie ich wollte. 


So einfach ist das Prinzip also nicht. 

Auch wenn der Spruch doch so leicht auf der Zunge liegt: 


Wir ernten, was wir säen.  


Leicht dahin gesagt. Und schwer auszuführen.

Erntedank, das liegt nahe, ist das Fest, an dem ich mich eher ducke. Und die bewundere, die so viel hierher bringen an Ernte. 


Und das Fest, an dem ich mich dieses Jahr darum gefragt habe:

Stimmt das denn wirklich? Dieses einfache Prinzip?

Dass wir nur ernten, was wir säen? 


Wir ernten, was wir…

Seien wir mal ehrlich: In den Supermarktwagen tun. Das ist die Realität, für das Meisten zumindest. Auch wenn es noch Gärten gibt und genug grüne Daumen. Selbstversorger, sind die wenigstens unter uns. 

Wir kaufen, was wir brauchen: Essen, Klamotten, Autos, Fahrräder, Kuscheltiere… und wir kaufen genug, was wir eigentlich nicht brauchen.

Es ist schließlich alles da, was ich will, wenn ich denn genug Geld habe. 

Wir leben in einem Teil der Welt, in dem wir ernten, was andere herstellen für uns. Unter guten und unter schlechten Bedingungen. Entweder uns interessiert das, oder eben nicht. 

Am Ende entscheiden wir, was in unserer Einkaufstasche, an unseren Körpern, im Zimmer unserer Kinder landet. Wir leben in der Realität, in der wir…

…ernten, was wir kaufen.


Oder, was jemand anderes uns schenkt. Der Teddy zum Geburtstags, der Schein zur Konfirmation, den Kuchen einfach, weil ich dich mag. 

Manchmal ernten wir nämlich, obwohl wir gar nichts getan haben! Nicht immer müssen wir für die Ernte, etwas tun. 

Und das ist meistens die schönste Ernte. 

Eine kleine oder eine große Aufmerksamkeit, einfach so. 

Das Geschenk für dich, weil du es verdienst. Weil du etwas brauchst und ich etwas habe. Und ich es dir gebe, ohne, dass du etwas tun musst.

Geschenkt Ernte. Verschenkte Ernte. 

Wie bei Jesaja: 

Teil dein Brot mit dem Hungrigen, nimm die Armen und Obdachlosen ins Haus auf.Wenn du einen nackt siehst, bekleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Nächsten!

Es gibt genug Menschen unter uns und auf unseren Straßen, die nichts säen können. Die keinen Garten haben, kein Geld, um sich etwas zu kaufen. Zu Essen, Kleidung, das allernötigste, was wir zum Leben brauchen.

Wer nicht säen kann, kann auch nicht ernten. Wer kein Geld hat, kann sich nichts kaufen. Darum braucht es die, die ihre Ernte verschenken. Die sehen, wer etwas braucht und geben, ohne zu nehmen. Weil wir wissen, wie schön es ist etwas geschenkt zu bekommen. Und wie schön es sein kann zu schenken. Und wie es ist, wenn 

…wir ernten, was wir geschenkt bekommen. 


Geschenke sind schön - meistens. Und doch kennt jeder und jede den kratzigen Schal, den merkwürdigen Gartenzwerg, das Buch, was man schon gelesen hat. Geschenke, die lieb gemeint sind und die wir nicht wollen. 

Oder sogar Geschenke, die nicht mal lieb gemeint sind.

Die einfach weitergegeben, weiterverschenkt werden. 

Wie viele bekommen Probleme geschenkt, weil sie erben. 

Häuser oder Probleme, oder oft genug auch beides. Ernte, die man nicht mal gesät hat und auch nicht säen wollte und die trotzdem zu einem kommt. 

Geerbte Ernte. 

Die vielleicht größte geerbte Ernte, die wir haben. Ist die, die uns die Ernte hier auf dem Altar gegeben hat: Unsere Erde. 

Wir haben sie nicht gesät, das hat einst jemand ganz anderes. Doch wir erben sie und wir vererben sie. Die Erde mit allem, was wächst und was auch nicht mehr wächst. 

Denn wir wissen es alle: Wir sind mit diesem geschenkten Erbe nicht gut umgegangen. Haben uns zu lange über die Ernte gefreut und nicht nach dem Samen und seiner Umgebung geschaut.

Einfach geerntet und geerntet.

Und jetzt ist es eher zehn nach, als zehn vor zwölf, dass unser Erbe uns immer mehr Probleme machen wird. Keine kleinen Erbstreitigkeiten sondern lebensbedrohliche Probleme. 

Flut, Feuer, keine Luft mehr zum Atmen. 

Unser Erbe liegt in unserer Händen und wir müssen uns darum kümmern. Denn wir und unsere Kinder und Enkel und Urenkel werden…

…ernten, was wir erben. 


Und heute können wir genau darüber mitentscheiden. Heute geht es um unser Erbe und was wir davon ernten werden. Heute haben wir sprichwörtlich die Wahl! Und müssen sie nutzen. 

Ich sage ganz bewusst „müssen“. Denn wenn wir sie nicht nutzen, werden wir trotzdem ernten. Und können uns dann nicht beschweren. 

Klar, auf die Politik ist leicht zu schimpfen. Und klar, nicht immer gewinnt die Partei, die ich wähle und setzt erst recht dann nicht um, was ich will.

Doch wir haben dieses Recht und dieses Privileg zu wählen - wie viele Menschen auf der Welt haben das nicht! Weil sie in einer Diktatur leben, weil sie Frauen sind, weil sie behindert sind… nicht mal in diesem Land dürfen alle Menschen wählen, die es gerne wollen. 

Und nicht wählen bringt auch nichts. Ernten werden wir alle trotzdem. Das, was entschieden wird, dass was die Gesetze sagen. Das, was die Politik mit unserer geerbten Erde machen will. Darum müssen wir heute mitentscheiden! Denn sonst werden wir…

…ernten, was wir nicht säen. 


Wir ernten, was wir säen.

Wir ernten, was wir kaufen. 

Wir ernten, was wir geschenkt bekommen. 

Wir ernten, was wir erben. 

Wir ernten, was wir nicht säen. 


Wenn ich mir das alle so ansehe ist mein Erntedankfest nicht besonders fröhlich. Weil leider diese Welt nicht immer besonders fröhlich ist. 

Nicht alle dem Hungrigen Brot geben, zu viele Autos in unseren Straßen fahren und viel zu viele Flugzeuge am Himmel sind. Weil zu viele lieber die Hände in den Hosentaschen ballen, auf die da oben schimpfen und nichts tun, das sich etwas ändert. 

Weil es eben alles nicht so einfach ist. 

Das Prinzip nicht so einfach und leicht ist. 

Wir ernten, was wir säen. 

Schön wärs. 


Denn es könnte doch so schön sein. 

So schön wie heute. 

Schön, wie der Altar voller Erntegaben. Schön wie unsere Gemeinschaft hier. Schön wie unser Fest heute, wo wir alle möglichen Ernten feiern.

Selbst geerntet, gewonnen, geschenkt. 


Weil wir hier in unseren Gemeinden noch etwas ganz anderes ernten.

Wenn wir Ernte verschenken, unsere geerbte Erde sehen und uns ihrer annehmen, wenn wir uns einbringen mit allem, was wir haben: 

Wenn wir an dem Traum Gottes festhalten. 

Der Traum von dem Gott, wegen dem wir hier sind. 

Dem Traum einer Welt, in der alle friedlich zusammenleben. In der alle wirklich das säen, was sie ernten. 


Weil wir darauf hoffen: 

 

Dann bricht dein Licht hervor wie die Morgenröte,

und deine Heilung schreitet schnell voran.

Deine Gerechtigkeit zieht vor dir her, und die Herrlichkeit

des Herrn folgt dir nach.

Dann antwortet der Herr, wenn du rufst.

Ich bin für dich da!

Du wirst Stätten wieder aufbauen, die seit Langem in Trümmern liegen.

Grundmauern aus vergangenen Zeiten wirst du wieder herstellen.

Dann wird man über dich sagen:

Das ist der, der die Mauerlücken schließt und unwegsames Land wieder bewohnbar macht.


Denn so wurde es schon einmal vor ganz langer Zeit den Menschen Israels versprochen.

Mit dieser Hoffnung leben heißt:

Gerechtigkeit säen.

Frieden säen.

Liebe säen.

Und all das wieder ernten. 

Mauerlücken schließen. 

Hand in Hand. 

Weil wir daran glauben. 

Weil wir Hoffnung haben. 


Weil da einer sagt: Ich bin für dich da!


Und so bleibt ein letztes. 

Nach all meinen Gedanken zu dem wir ernten, was wir… 


Es bleibt.

Was uns trägt und stärkt.

Was uns hier ausmacht: 


Wir werden ernten, was wir hoffen. 

Wir ernten, weil wir hoffen. 


Amen. 



gehalten am 26. September 2021

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