Halb voll, oder halb leer?

 Gegenrede 1

Geht ja gar nicht. So ein Quatsch. 

Wasser in Wein verwandeln - das ist höchstens ein billiger Trick. Bestimmt waren da irgendwo Fässer versteckt und Jesus wusste einfach nur, wo die sind. Oder er hatte zufällig ein bisschen Wein dabei und hat den dann eingegossen. Oder die haben sich die Geschichte halt einfach ausgedacht, als sie alle am Ende auf der Hochzeit besoffen waren.

Auf jeden Fall geht das nicht. Das weiß doch jeder. Ist doch logisch! 

Niemand kann Wasser zu Wein verwandeln. 

Und überhaupt wenn Jesus das gekonnt haben soll, hätte er ja auch Regenwasser in Trinkwasser verwandeln können und damit wäre das Durstproblem für alle gelöst gewesen. Wäre Jesus wirklich so gut gewesen, hätt er das ja wohl gemacht! 

Hat er aber nicht. Ist eben alles Quatsch. 

Wer an sowas glaubt, glaubt wahrscheinlich auch noch an den Weihnachtsmann. 


Der Weihnachtsmann 

Der Weihnachtsmann war da! Auf einmal leuchten die Kerzen am Tannenbaum, die eben noch aus waren. Auf einmal liegen unter dem Baum viele glitzernde Geschenke, die eben noch nicht da waren. 

Auf einmal leuchten Kinderaugen, die eben noch ein bisschen müde waren. 

Der Weihnachtsmann war da - ein Satz und alles ist anders. 

Alles ist schön und so aufregend. 

Eben war noch alles anders und jetzt ist es schön.

Weil es von jetzt auf gleich anders ist.

Weil das so unerklärbar ist. 

Niemand hat den Weihnachtsmann gesehen, es war niemand zuhause und trotzdem leuchten da die Kerzen und die Geschenke liegen da. 

Unerklärbar und genau darum leuchten die Kinderaugen. 

Wundervoll ist dieser Weihnachtsmann. 

Geheimnisvoll und wundervoll und so unlogisch.

Wie soll der denn an einem Abend alle Kinder beschenken? Wie soll der denn in die Häuser kommen, wenn heutzutage niemand mehr einen Kamin mit Schornstein als Rutsche hat? Wie soll das denn gehen? Das ist unlogisch!

Doch diese Fragen stellen die leuchtenden Kinderaugen nicht. Sie kommen Ihnen gar nicht in den Kopf. Da ist nur Platz für die Kerzen und die Geschenke und das wunderbare Geheimnis von Weihnachten. 

Warum an diesem Wunder zweifeln?

Wenn dann die Augen doch nur aufhören würden zu leuchten? 


Klares Bekenntnis zum Wunder 

Leuchtende Augen, strahlende Münder, erhobene Hände. Sie tanzen, sie singen, sie schließen die Augen. 

In einer Kirche, einer Gemeinde. So ganz anders als bei uns hier. Da ist eine andere Stimmung, eine ganz andere Atmosphäre. Sitzen bleiben beim Singen tut niemand und oft gibt es eine ganze Band und keine Orgel. 

Sie singen über „Deine Wunder“, über alles, was der Herr für sie tut. Sie singen über Jesus den König, der uns alle rettet. 

Denn er tut Wunder. 

In Gemeinden, die wir oft als „Freikirchen“ oder als „evangelikale Gemeinden“ bezeichnen. Verallgemeinerungen die diesen Gemeinden nicht gerecht werden. Sie sind alle auch verschieden und sie haben doch eins gemeinsam: Der Glaube an Wunder ist wichtig. Über ihn wird laut gesungen. Unlogisch? Macht ja nix. Es geht hier um Gott, der ist nicht logisch, du musst einfach glauben, dafür beten und dann wird auch dir ein Wunder geschehen. 

Und klar hat Jesus Wasser zu Wein verwandelt.

Wenn nicht Jesus, wer denn dann? Der Weihnachtsmann vielleicht? 


Gegenrede 2

Moment mal. Das ist doch alles zu einfach!

Klar lässt der Weihnachtsmann die Kinderaugen leuchten. Doch irgendwann hört jedes Kind auf an ihn zu glauben. Oder glaubt hier heute noch jemand an den Weihnachtsmann von euch? 

Na seht ihr. 

Wir Menschen sind doch Vernunftswesen, wir können nicht ewig bei den leuchtenden und so leicht zu überzeugenden Kinderaugen stehen bleiben. Und eben auch nicht einfach glauben, dass Gott uns mit seinen Wundern rettet. Das ist zu einfach! So funktioniert die Welt eben nicht. Beziehungsweise macht man es sich dann doch so einfach, dass man selber nichts mehr tun muss. Und dann gibt es eben Gemeinden wie in Brasilien zum Beispiel, die glauben ein Kind kann heilen und dann sterben eben doch alle an ihrer Krebserkrankung und denen wird dann gesagt: Du hast nur nicht genug an das Wunder geglaubt! 

Das geht doch nicht! Das ist doch zum himmelschreiend unlogisch!

Wunder gibt es eben nicht. 


Katja sagt: 

Wunder gibt es immer wieder

Heute oder morgen

Können sie geschehen

Wunder gibt es immer wieder

Wenn sie dir begegnen

Musst du sie auch sehen.


Der Ohrwurm 

Ein wundervolles Lied. Ein sehr guter Ohrwurm, den es in vielen Sprachen gibt. Katja Ebstein hat das Lied 1970 beim Grand Prix gesungen. Und immerhin den dritten Platz damit belegt. 

Ein Hit, der bis heute auf der ein oder anderen Party läuft. 

Ein Hit, der einem manchmal einfällt, wenn doch alles anders kommt, als man dachte. 

Mir zumindest fällt das Lied öfters ein. 

Wenn die Sonne doch scheint, obwohl es regnen sollte. 

Wenn der verloren geglaubte Ohrring in der Sofaritze wieder auftaucht. 

Kleine Alltagswunder, die natürlich keine sind. 

Denn Wunder gibt es nicht.

Dass die Sonne scheint, weil man es sich wünscht. 

Oder eben Wasser zu Wein verwandeln - das geht nicht. 


Geht nicht gibts nicht

Geht nicht gibts nicht. 

Sagt dann das Kind vorm Tannenbaum, oder der singende Mensch in der Kirche. 

Geht nicht gibts nicht. Wunder gibt es eben doch immer wieder!

Du musst daran glauben. 

Oder wie Katja Ebstein singt: 

Wenn sie dir begegnen

Musst du sie auch sehen.


Ach wäre das schön 

Das wäre schön, wenn es wirklich so wäre. 

Und wir alle kennen die Stimme der Vernunft die sich dann meldet und ihre Gegenreden schwingt: Das ist unlogisch. Das ist Quatsch. Das geht nicht. 

Die Stimme der Vernunft ist bei dem einen von uns lauter und bei der anderen von uns leiser. 

Wir haben sie alle. 

Und sie kann uns ganz schön im Weg stehen. 

Wenn es ans Glauben geht. 

Denn Vernunft und Glauben sind kein so einfaches Paar. Und es ist eben kein Wunder, dass wir hier immer weniger werden.

Denn es ist nicht leicht zu glauben. 

Ein Professor von mir in der Uni hat mal gesagt: Glauben ist kein Geschenk, Glauben ist harte Arbeit. 

Weil es zu schön wäre, wenn wir einfach glauben könnten, dass Gott ein Wunder tut und alles ist wieder gut. Und weil es eben auch einfach zu leicht wäre. Denn wäre dann nicht schon lange alles gut?

Eben, ist es aber nicht. 

Es fängt an mit den Geschichten der Bibel, die unseren Glauben piksen und geht weiter mit Naturkatastrophen und dem Tod geliebter Menschen. 

Wie sollen wir denn da an Wunder glauben?

Wie es schaffen nach ihnen Ausschau zu halten? 

Wie die leuchtenden Kinderaugen zurückbekommen?


Der Weihnachtsmann und ich 

Meine Augen haben sehr lange geleuchtet an Heiligabend. Ich habe sehr lange an den Weihnachtsmann geglaubt. Er hat mir auch immer Briefe geschrieben, die auf wundersame Weise im Briefkasten lagen - mit Briefmarke! Nie war jemand zuhause, wenn wir in der Kirche waren, es konnte nur der Weihnachtsmann sein. 

Und klar hatte ich genug Freunde und Freundinnen, die nicht mehr an ihn glaubten und klar hatte auch ich irgendwann die Stimme der Vernunft in mir. Und ich wollte eben einfach nicht aufhören. Wollte mir dieses Wunder von Weihnachten bewahren. 

Nur weil das nicht stimmt, kann es ja trotzdem schön sein! 

Ich wollte das Wunder sehen. 

Und auch als ich dann offiziell verkündet habe nicht mehr an den Weihnachtsmann zu glauben, da blieb das Wunder. Er hat mir damals einen Abschiedsbrief geschrieben. Sich bedankt für meine Treue. 

Es war also ein guter Abschied und einer auf Zeit, denn jetzt kommt er ja wieder an Weihnachten in unser Haus. 


Halb voll 

Klar hätte ich traurig sein können damals oder wütend weil es am Ende ja doch immer Menschen waren, die die Geschenke hingelegt haben. 

Klar könnte ich mich heute hierhinstellen und sagen: Wunder gibt es nicht. 

Jesus hat ganz bestimmt kein Wasser in Wein verwandelt. 

Die Welt ist ungerecht, das Glas ist halb leer. 


Und dann singt Katja „Wunder gibt es immer wieder“.

Und dann kommen die Geschichten von Jesus und seinen wunderbaren Taten. Und dann ist dieses wundervolle Geheimnis namens Glauben, dass so unlogisch ist und die Stimme der Vernunft einfach akzeptieren muss. 


Und dann ist das Glas halb voll. 

Mit Wasser, oder Wein, oder Kaffee. 


Es kommt nicht darauf an ALLES zu glauben. Bitte nicht!

Wir brauchen unsere Stimme der Vernunft! Ganz dringend in unserer Welt. Krebskranke Menschen gehören in ein Krankenhaus und nicht zu Wunderheilern. Und auch im Krankenhaus können sie sterben und das ist verdammt ungerecht und dann ist das Glas halb leer, oder ganz leer. 

Und das alles pikst den Glauben und wir können nur hoffen, dass er nicht untergeht. 

Dass er wiederkommt, wie der Weihnachtsmann zu meinen Kindern. 

Dass die Wunder klein sein können und vielleicht nur wir alleine sie sehen. 

Der Sonnenstrahl trotz Regen kann für dich ein Wunder sein, weil er dein Glas wieder voll macht. 

Weil du dann wieder lächeln kannst. Weil du da ein Strahl der Liebe gesehen hast am Grab. 


Ich glaube wir als Christen und Christinnen haben genau das: 

Jemand, der uns das Glas halb voll macht und den Ohrwurm von Katja Ebstein immer wieder ins Ohr setzt. 


Das Glas von Gott ist halb voll. 

Weil er ein Baby im Dreck war, weil er am Kreuz hing und weil er dem Tod zugeprostet hat mit seinem vollen Glas und auferstanden ist. 


Auf verrückte, unglaubliche und unlogische Weise. 

Geheimnisvoll und wundervoll. 


In der Heiligen Schrift heißt es dazu:

»Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat,

worauf kein Mensch jemals gekommen ist –

all das hält Gott für die bereit, die ihn lieben.«


Wenn er dir begegnet. 

Musst du ihn auch sehen. 


In diesem Sinne: Prost und Amen. 



Gehalten am 16.1.22

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