Hart aber herzlich

Glaubt ihr, dass Jesus ein netter Mensch war? 

Ja, schon oder? 

Neulich Nachts habe ich mich das gefragt. 

Nach allem, was wir so wissen, hat er schließlich ziemlich vielen Menschen geholfen. Kranke geheilt, Hochzeiten mit Wein versorgt und hat viel über Liebe geredet. So einer kann nur nett sein. 

Wenn nicht Jesus ein netter Mensch war - wer denn dann?


Nett, sagt der Duden bedeutet: freundlich und liebenswert, im Wesen angenehm. 

Klingt doch ganz so wie Jesus, oder?


Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.

Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.

Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert. Wer sein Leben findet, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s finden.


Das klingt nicht nett. 

Nein, das klingt ganz schön hart. Und gemein. Und merkwürdig. 

Und es ist der Predigttext für heute und ja, das sind Worte, die Jesus zugeschrieben werden. 

Diese nicht netten Sachen soll Jesus gesagt haben. 


Wo ist er jetzt der nette Jesus, der über Liebe redet? So wie in den Worten aus der Lesung vorhin: Liebt eure Nächsten. Werdet vollkommen. 


Und jetzt das:


Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.


Ein Jesus, der über Liebe und Frieden und Vollkommenheit redet. 

Und ein Jesus, der über Verlassen, das Schwert und verlorene Leben redet. 

Zwei scheinbar völlig verschiedene Personen. 

Wie soll das zusammen passen?

Wie soll ich diesen Jesus nett finden können?

Und vor allem: Wie soll ich denn ihm nachfolgen, wenn er das verlangt? 

Das frage ich mich heute. Und ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es damals den Menschen ergangen ist, die wirklich vor der Entscheidung standen: Lasse ich alles was ich habe und liebe hinter mir und gehe mit Jesus mit? Oder bleibe ich und lasse ihn ziehen? 

Wie hart muss es dann gewesen sein in diese schwierige Entscheidung um die Ohren gehauen zu bekommen: Wenn du mir nicht folgst, bist du meiner nicht wert.

Denn für Jesus nicht wert genug zu sein, das bedeutete nicht wert genug für das bessere Leben wert zu sein, von dem er so viel erzählt hat.

Die Vollkommenheit, die er in so schönen Bildern ausgemalt hat. Und Kind Gottes zu werden - das wollten sie und sollten dafür viel opfern. 


Wir lesen in den Evangelien, dass sich einige dazu entschieden haben diese Opfer zu erbringen und mit Jesus mitzugehen. Damals hieß das wirklich auch allen Besitz abzugeben und nur von Spenden zu leben. Es hieß Tag und Nacht nicht zu wissen, was kommt. Und allein auf Jesus zu vertrauen. Dieser nette Mensch, der so hart sein konnte. 


Damals. Und heute? 



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Was wäre, wenn dieser nette Jesus auf einmal morgens neben meinem Bett stünde und würde sagen:


Guten Morgen! Du sollst nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, dich zu entzweien von deinem Vater und deiner Mutter. Und deine Feinde werden deine eigenen Hausgenossen sein. Wenn du Vater oder Mutter mehr liebst als mich, bist du meiner nicht wert; und wenn du Sohn oder Tochter mehr liebst als mich, bist du meiner nicht wert.

Und wenn du nicht dein Kreuz auf dich nimmst und folgst mir nach, dann bist du meiner nicht wert.


Also ich würde mich erstmal ganz schnell unter meiner Bettdecke verkriechen. Vielleicht so tun, als wäre ich gar nicht da. Nach einer Weile hervorblinzeln. Und da würde er immer noch stehen und mich fragend ansehen. Vielleicht mit so einer leicht hochgezogenen Augenbraue und einem spöttischen Blick. Da liegt sie nun die Pastorin und weiß ernsthaft nicht, ob sie mir folgen soll? 


Gemeinheit, ja ich wäre wahrscheinlich auch ein wenig sauer. Und gleichzeitig würde ich mich auch ziemlich schämen. Dass ich eben nicht sofort sagen würde: ja klar komme ich mit. Ich lasse meinen zwei kleinen Kinder hier und den Mann den ich liebe, mein schönes Dach über dem Kopf und folge jetzt dir. Wo auch immer hin. 


Ganz ehrlich? Das würde ich wirklich nicht machen.


Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.


Ja. Ich habe es verstanden! Und will es trotzdem nicht.

Das ist nicht nett Jesus! Weder liebenswert, noch angenehm. In diesem Fall ist nett ehrlich gesagt die kleine Schwester von, naja sie wissen schon…

Das ist einfach zu viel verlangt.

Das ist zu hart! 

Ich möchte lieber den anderen Jesus, der mir sagt ich soll meine Feinde einladen und frierenden Menschen eine Decke geben und mich selbst und alle anderen lieben. Das kann ich glaub ich. Also auch nicht immer, aber darum kann ich mich wirklich bemühen. 

Aber das andere, das ist mir eine Nummer zu hart. 


Tja. Und dann? 

Geht das? Kann ich einfach sagen: Ja die eine Hälfte nehme ich von dir Jesus und die andere lass ich lieber sein. Ist das nicht gemogelt? 

Geht das Jesus?


Frage ich unter meiner Bettdecke hervorlugend. 

Und Jesus? Sagt: Rück mal ein Stück. Und setzt sich neben mich ins Bett. Kriecht unter meine Decke und da sitzen wir nun im Bett. Und immerhin, dass mit dem Decke teilen habe ich grad schon mal ganz gut hinbekommen. Aber das schlafende Baby neben mir, will ich immer noch nicht verlassen. Und mein warmes Bett sowieso nicht. 


Also was jetzt? Bist du nun nett Jesus oder hart? Darf ich mogeln? Oder bin ich dann deiner nicht wert? 


Wahrscheinlich seufzt Jesus dann tief. Holt Luft und setzt zu einer seiner Reden an:


Ach Hannah. 

Du weißt doch, was gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Und ich sage dir: Wehr dich nicht, gegen den, der dir Böses will. Gewalt erzeugt Gegengewalt - und hat noch nie geholfen. 

Wenn jemand neidisch ist und deswegen dich verklagt oder Intrigen anzettelt - dann lass das abprallen und bleib freundlich. 

Wenn dich jemand zwingt eine Aufgabe zu übernehmen, die du nicht machen möchtest. Dann überleg dir ob es Wert ist einen Kampf einzugehen, wenn ja: sag nein. Wenn nein, dann mach es einfach schnell und riskiere keinen Konflikt. 

Wenn dich jemand um etwas bittet, oder etwas leihen möchte, dann gib es ihm. Es gibt bestimmt genug Dinge, auf die du verzichten kannst, oder? 

Guck nicht so. Klar sollst du nicht deine Kinder geben, oder dein ganzes Geld. 

Denn du weißt doch: Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst. 

Das hab ich gesagt. Wenn es dir schlecht geht, weil du selbst alles gegeben hast, kannst du dich schlecht selbst lieben, oder? 

Ich sage dir aber, was wirklich das allerwichtigste ist: Lieb deine Feinde! Liebe alle, die über dich lästern, dich doof finden oder blöd. Bete für diese Menschen. Ich weiß, das ist schwer. 

Doch überleg mal: Auch Gott hält zu dir, egal, was du tust. Du bist Gottes Kind, auch wenn du mal eine der ganzen Regeln nicht einhälst. Warum solltest du dann die Macht haben, jemanden zu hassen, weil er etwa schlechtes tut? Ist hart, ich weiß. Aber versuch es wenigstens. Ärgern ist natürlich erlaubt, aber nicht lange. 


Wie gerne hätte ich die Römer noch mehr angeschrien, noch mehr Randale gemacht. Diesen besserwisserischen und bloß-nichts-verändern-wollenden Priestern damals die Zunge rausgestreckt, anstatt mit ihnen ruhig zu diskutieren. 

Das war hart. 

Weil ich ruhig bleiben musste und weil ich den Streit eingegangen bin. Mit den Priestern, mit vielen Menschen auf der Straße, mit den Mächtigen. Ist ja auch nicht besonders gut ausgegangen meine Risikofreude.

Aber das meine ich eben: Ich bin nicht gekommen, um immer lächelnd durch die Welt zu laufen und zu jedem nett zu sein. Ich bin gekommen, um etwas zu verändern. Und Veränderungen sind immer hart. Und sie können nur passieren, wenn es klare Regeln gibt: 


Wenn du nicht bei deiner Mutter nickst, wenn sie über den kranken Nachbarn lästert, der einfach nur einsam ist. 

Wenn du es weglächelst, wenn deine Freundin über das Impfen schimpft und behauptet, das wäre doch alles nur erfunden.

Wenn du nicht schweigst, wenn dein Vater über die vielen Geflüchteten schimpft und meint sie werden ihm die Arbeit wegnehmen. 

Wenn du nicht den Kopf senkst, wenn ein Mann über eine Frau spricht, als wäre sie sein Eigentum. 

Wenn du deinem Sohn nicht erlaubst mit Pistolen zu spielen und so Waffen als Spielzeug zu begreifen und nicht als schreckliche Erfindungen. 


Und all das wird hart sein. Und du wirst dich mit deinen Liebsten streiten. Diesen erzwungenen Frieden musst du riskieren. Aufstehen und laut sein, wenn du Ungerechtigkeit siehst und hörst. 


Dann folgst du mir nach. Nimmst dein Kreuz auf dich.

Das Kreuz hart zu bleiben. Auf die Regeln zu bestehen, die dir und mir unser Gott gegeben hat. Regeln für ein gutes Leben, für Frieden. 

Wenn es auch heißt dich von Menschen, die das nicht verstehen zu entzweien. Wenn es auch heißt dich mit deinen Liebsten zu streiten. 

Das ist dein Kreuz. 

Das war mein Kreuz. 


Und so wirst du das Leben finden, das Gott dir und mir versprochen hat. 

Das nach dem Kreuz wartet. Das Leben getragen von der Sicherheit, dass du bei ihr bist und bei ihm sein wirst: 


Bei Gott deinem Vater und deiner Mutter.

Die harte Regeln für dich hat. 

Und dich von ganzem Herzen liebt.

Hart und herzlich. 


Hart aber herzlich. Werde ich murmeln. Und wieder einnickern. Mit meinem Baby im Arm. Und Jesus an meiner Seite. 

Der doch eigentlich ganz schön nett ist.

Hart aber herzlich. 


Amen. 


gehalten am 24.10.21


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