Gottes Anrufbeantworter

 Tonsignal/Nachricht 1 

Ja und nun. Wie fang ich am Besten an? Jetzt hab ich ja schließlich die 1 gedrückt, ich will also eine Nachricht hinterlassen. Sonst hätte ich ja auch auflegen können.

Hätte ich doch nur aufgelegt. Was soll ich denn jetzt sagen? Mein Gestammel hier ist ja wohl keine Nachricht, das ist ehrlich gesagt ziemlich peinlich. 

Entschuldige bitte, dass du dir das anhören musst grad. 

Ich versuch es gleich nochmal. 


Tonsignal/Nachricht 2

Guten Morgen! Das ist doch mal ein guter Anfang, zumindest besser als eben, denke ich. Entschuldige bitte das ganze Gequassel von eben. Man sollte besser vorher nachdenken, was man sagen soll. Konkret ich sollte das wohl besser. Und jetzt fang ich ja schon wieder so an. Moment, was hatte ich mir vorgenommen zu sagen? Irgendwo hab ich mir das doch aufgeschrieben. 

Ahja, hier. 

Guten Morgen! 

Hallo Gott!

Wie geht es dir? Ich hoffe gut. Wobei, kann es dir eigentlich irgendwie gehen? Hast du auch manchmal Kopfschmerzen morgens, oder schläfst du manchmal schlecht? 

Und sag mal, darf ich dich überhaupt duzen? Na toll, das hätte ich mir auch vorher überlegen können. Eigentlich dürfen ja nur Ältere entscheiden, ob man sie Duzen darf oder nicht, jetzt hab ich das einfach entschieden und ich denke ich bin ja schon deutlich jünger als du… Aber irgendwie glaube ich, dass du da doch ganz entspannt bist. Also ich habe jedenfalls noch nie gelesen, dass Jesus dich mal irgendwo gesiezt hätte. Wenn ich länger darüber nachdenke, dann wäre das auch ziemlich merkwürdig. Also gut, ich bleibe beim Du und fange jetzt zum dritten Mal von vorne an.

Guten Morgen! 

Hallo Gott!

Ich liege noch im Bett. Hab heute Nacht nicht so gut geschlafen und ganz schön wildes Zeug geträumt. Kennst du das, wenn man dann gar nicht mehr weiß, ob irgendwas davon wirklich passiert ist, oder ob es doch nur ein Traum war? Gute Frage, träumst du eigentlich? 

Ich jedenfalls habe viel geträumt und liege hier jetzt noch und will nicht aufstehen. Der Wecker hat schon drei Mal geklingelt und ich bin einfach noch nicht bereit für diesen Tag. Am Liebsten würde ich einfach den ganzen Tag hier bleiben. Wenn ich jetzt aufstehe, dann muss ich so viel machen. Und irgendwie hab ich da grad gar keine Kraft für. Wieso? Weiß ich auch nicht so richtig. Manchmal ist das so, da ist der Morgen schon blöd und es kann nicht besser werden. 

Auf jeden Fall wollte ich dir davon erzählen Gott. Dass so ein Morgen nicht immer wie im Katalog ist, mit Sonne und Vogelgezwitscher und Elan. Vielleicht will ich dich auch fragen, ob das in Ordnung ist. Hast du das so eingeplant mit uns Menschen? Dass wir manchmal absolut keine Lust haben auf deine Welt? 

Und letzte Frage, hast du eine Idee, wie mein Tag noch gut werden kann? 

Das wäre wirklich großartig. 

Tja dann, bis später vielleicht. 

Tonsignal/Nachricht 3

Hallo, ich bin es schon wieder. Stell dir vor, ich bin tatsächlich aufgestanden! Es hat noch eine Weile gedauert, aber dann hab ich es geschafft. Erst habe ich noch darüber nachgedacht, ob Jesus wohl auch manchmal nicht aus dem Bett gekommen ist. Wobei seine Betten ganz bestimmt lange nicht so bequem waren, wie meins es ist. Aber ich kann mir schon ganz gut vorstellen, dass der auch einfach mal morgens keine Lust hatte auf noch mehr Reden halten und noch mehr Wandern und noch mehr Heilen. Und dann ist er ja wohl auch doch aufgestanden und hat weitergemacht. Ich bin zwar nicht Jesus, aber das hat mich dann vorhin doch motiviert auch mal aufzustehen. Ich muss immerhin nicht wandern heute. Das müssen schon echt genug andere Menschen. Gerade hab ich die Zeitung aufgeschlagen und die Bilder der Geflüchteten gesehen. Die wandern und wandern und müssen auch immer wieder aufstehen. Und genug Menschen müssen heute auch Reden halten, kleine und große. Und viele, viele Menschen stehen heute auf, um andere zu heilen. 

Haben die sich heute auch schon bei dir gemeldet? Bestimmt. 

Da komme ich mir gleich ganz blöd vor mit meinem „Ach, ich hab so schlecht geschlafen“ wenn es anders gibt, die nicht schlafen können, weil Krieg ist, oder weil sie alles dafür tun, dass andere überleben. 

Was sagst du dann eigentlich Gott?

Wenn so eine Ärztin zu dir betet vor einer wichtigen OP? Und was machst du, wenn dann der Patient stirbt? 

Oder wenn eine Mutter zu dir betet mit ihrem Baby im Arm auf der Flucht? Mitten auf dem Mittelmeer? 

Wieviele tausende, unzählige davon bekommst du jeden Tag? 

Und was antwortest du? 

Antwortest du überhaupt? 


Tonsignal/Nachricht 4

Ich schon wieder. Und ehrlich gesagt hat mich das jetzt ganz schön wütend gemacht. Es ist ja ok, dass du auf meine kleinen Nachrichten und Probleme nicht gleich eine Antwort parat hast. Aber was ist mit all diesen Ungerechtigkeiten? Mit den Nachrichten aus dem Krieg, von der Flucht? Und es gibt ja noch so viel mehr. Ich will gar nicht so viel weiter nachdenken, was es noch alles schreckliches auf dieser Welt gibt, das macht mich so traurig. 

Und eben so wütend. 

Warum antwortest du denn nicht Gott? Warum machst du denn nichts? 

Lässt die Menschen im Mittelmeer ertrinken, lässt es zu, dass Frauen vergewaltig werden, dass Bomben Häuser und Leben zerstören und so weiter und so fort. Warum machst du denn da nichts Gott?

Warum beten wir denn alle zu dir und bitten dich? 

Wenn dann nichts kommt? 

Hallo Gott!

Kannst du nicht einfach mal rangehen!

Mach doch endlich mal was!


Tonsignal/Nachricht 5 

Hi. 

Tut mir Leid. 

Da war ich jetzt vorhin ganz schön laut. Ich war so wütend. 

Ja, auf dich. 

Das ist in Ordnung, oder? Wenn ich mich richtig erinnere, war Jesus auch mal ziemlich wütend auf dich. Und hat dich gefragt, wo du bist und warum du ihn alleine lässt. Dann darf ich das auch.

Es ist einfach so oft so schwer. Zu wissen wie viel einfach wirklich sch*** ist auf dieser Welt. Entschuldige, aber das weißt du doch auch!

Es ist so schwer das zu wissen und trotzdem zu glauben. 

Dass du da auch noch irgendwie und irgendwo bist. 

Wäre schon einfacher, wenn du ab und zu so ein Wunder geschehen lassen würdest und alle wüssten: Ha, den gibt es also doch! Es bringt was, das mit dem Beten und dem Glauben. 

So wie das mit der Teilung des Meeres oder so. Der Quelle mitten in der Wüste für die verdurstende Hagar oder der Sturmstillung. So eine Sturmstillung mitten auf dem Mittelmeer für die Geflüchteten, das wäre es doch. Das wäre einfach leichter. 

Und es wäre auch gruselig.

Dann wärest du nicht mehr so leicht zu duzen. 

Das wäre ganz schön mächtig. 

Mächtig bist du doch, oder? 

Nur, wo ist die? 

Deine Macht? 

Schon wieder die nächste große Frage. Eigentlich wollte ich mir nur entschuldigen, ich muss jetzt auch Schluss machen, mein Bus kommt. 


Tonsignal/Nachricht 6 

Hallo Gott. 

Vorhin im Bus da saß ein Kind. Es hat mich die ganze Zeit angegrinst. Es hatte eine halbe Brezel im Mund und hat mich angegrinst, sodass ich die ganze angekaute Brezel gut sehen konnte. Und ich muss auch so grinsen. 

Das war so schön. Mitten in meinen ganzen dunklen Gedanken seit heute Morgen saß da einfach diese Grinsebacke und hat mich zum Lachen gebracht. Einfach so. 

Dann bin ich ausgestiegen und in dem Moment hat die Sonne geschienen. Die Strahlen hab ich richtig gesehen neben den dunklen Wolken. Und vielleicht ist das albern, aber bei diesen Strahlen aus den Wolken muss ich immer an dich denken. So stelle ich mir dich vor: Strahlend neben all dem Dunklen. 

War also genau der richtige Moment.

Im Grinsen und im Strahlen. 

Du warst da irgendwie da. 

Auch wenn andere das womöglich Zufall nennen. 

Ich hab dich gespürt. 

Das wollte ich dir nur kurz sagen.


Tonsignal/Nachricht 7

Ich schon wieder. Tut mir Leid, aber heute hab ich echt viel zu sagen. Dieses grinsende Kind geht mir nicht aus dem Kopf. Weil es so schön war zu sehen, wie glücklich es war und weil es bestimmt nicht immer so glücklich ist. Das kann bestimmt auch so richtig gut heulen. So, wie wir alle. Wir trauen uns das später bloß nicht mehr so. Das Grinsen und das Heulen. Schade. Aber das wollte ich gar nicht sagen. 

Mir ist einfach was eingefallen und zuhause hab ich dann gleich gesucht und sie gefunden. Siehst du sie leuchten? 

Ich habe meine Taufkerze rausgekramt. Sie sieht nicht mehr so schön aus, wie damals, aber sie leuchtet noch. 

Mir ist nämlich eingefallen, dass mir mal jemand gesagt hat, dass du bei der Taufe mit untergehst. Und da bin ich wieder bei meiner Frage von heute vormittag, als ich so wütend war. Also, was du machst, wenn die Frau auf dem Mittelmeer zu dir betet. 

Du gehst mit unter, oder? 

Egal was uns passiert, du bist schon da. 

Du hängst am Kreuz mit Jesus, du gehst mit dem Schlauchboot unter, du weinst mit der Ärztin. 

Und je länger ich darüber nachdenke, je mehr glaube ich, dass das mehr als jedes Wunder ist.

So ein Wunder, was ich vorhin noch wollte. 

Wunder machen einfach wieder heil und alles gut. 

Und unsere Welt ist eben nicht gut. 

Du machst nicht alles gut. 

Du sagst nicht „Wird schon wieder.“

Du leidest mit, du weinst mit, du bist da, wenn andere sich wegdrehen. 

Du sagst: Ich bin da. 


Tonsignal/Nachricht 8

Was für ein Tag. Guten Abend Gott! 

Ich hab noch eine Weile bei meiner Taufkerze gesessen vorhin. Das tat gut, sie anzuzünden und die Flamme zu sehen. Das sollte ich vielleicht öfters machen. Ist so ein bisschen wie die Strahlen aus den Wolken von heute Nachmittag. Ein Strahlen für zuhause.

Eine Erinnerung, dass du da bist. 

Auch wenn es manchmal schwer zu glauben ist. 

Puh. Da hab ich dir heute aber ganz schön was erzählt.

Ziemlich große Fragen waren das heute, muss auch mal sein. 

Jetzt liege ich wieder im Bett.

Hoffentlich kann ich heute Nacht besser schlafen. 

Auf jeden Fall tat es sehr gut dir mein Herz auszuschütten heute. 

So liegen sie da weniger drauf, all die Fragen und Gedanken. 

Schon wirklich gut, dass ich das kann. 

Dir alles erzählen und sagen. 

Bei wem kann ich das sonst? 

Einfach so, mein Herz ausschütten.

Im Bett, im Bus, am Frühstückstisch? 

Immer, wenn mir danach ist. 

Eigentlich bei niemandem sonst. 

Was für ein Glück, das ich dich hab. 

Hoffentlich hat das grinsende Kind dich auch. 

Das wollte ich dir nämlich auch noch sagen, ich glaube, du grinst auch. 

Für jede brezelkauende Grisnebacke und für mich und für uns alle. 

Du grinst bestimmt mit uns mit. 

Ganz schön gut. 

So, ich bin müde. 

Hab jetzt eigentlich gar nichts mehr zu sagen. 

Dieses warme Gefühl im Bauch, das ich habe, wenn ich dir mein Herz ausschütten kann, kann ich auch gar nicht beschreiben. 

Musst du mir halt glauben. 

Ich glaub ja auch an dich. 

Danke. 

Und gute Nacht! 

Bis morgen. 


Amen. 


Predigt gehalten am 5. Mai 2024


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